Mittwoch, 11. Mai 2016

Wie das Monster aus der Höhle...Semesterende!

Hi Folks,

nun haben wir schon Mai und was soll ich euch sagen: in Schottland frieren wir immer noch. Nach ein paar sonnigen Tagen und unglaublich tropischen Temperaturen von ganzen 12 Grad ist das kurze Frühlingsintermezzo leider schon wieder vorbei. Klar, es ist Schottland, man sollte nicht so hohe Erwartungen haben, sagt ihr jetzt bestimmt. Aber Sturmböen und Schnee muss nun wirklich nicht sein. Doch was erzähle ich euch das, Deutschland hat ja auch erst einen Winterrückfall erlebt.

Momentan passte mir das Wetter jedoch ganz gut, denn in der Bibliothek ist es immer gleich warm (oder kalt, wenn man so eine Frostbeule ist wie ich), und viel mehr ist nicht passiert in den letzten Wochen. Nach unzaehligen Präsentationen, Marketing Kampagnen, Unternehmens Pitchs und Hausarbeiten habe ich tatsächlich meinen letzten Essay fertiggestellt - und weiss prompt nichts mehr mit meiner plötzlich so grosszügigen Freizeit anzustellen. Ich will mich ja nicht beschweren, den es war auch sehr lehrreich und teilweise spannend, aber so viel wie hier und in diesem Semester musste ich tatsächlich noch nie für die Uni machen. Bei der 38. Präsentation und Gruppenaufgabe fängt man dann doch an den deutschen Frontalunterricht zu vermissen.

Aber was solls, jetzt ist es vorbei und jetzt kann man sich wieder schöneren Dingen zuwenden (bis es dann mit der Masterarbeit losgeht.....Jucheee!). Da Philip in den letzten Tagen noch für seine Prüfungen lernen musste, war leider noch nicht so wirklich Zeit für große Unternehmungen, ein paar kleine Aktivitäten haben wir uns aber schon gegönnt. Als erstes haben wir endlich mal den deutschen Bäcker hier in Edinburgh ausgekundschaftet. An sich bekommt man bei Lidl so gut wie alles an internationalen und deutschen Lebensmitteln, nur beim Brot hapert es eben wirklich. Hier gibt es nur so ganz fürchterliches Wabbelzeugs, nicht mal ordentliche Brötchen gibt es, von Schwarzbrot mal ganz zu schweigen. Nach nun doch schon 9 Monaten hier habe ich dadurch einen unnatürlichen Drang nach Brot entwickelt! Als wir die Bäckerei und Konditorei eines Deutschen, der vor ein paar Jahren nach Edinburgh ausgewandert ist, dann gefunden hatten, konnte ich mein Glück kaum glauben: Unmengen an verschiedenen Broten, Hefezöpfen, Brezeln und Torten! Denn auch das Konzept der Sahnetorte ist den Schotten fremd. Von so viel Glück überwältigt haben wir uns ins Café gesetzt und jeder erstmal ein großes Stück Torte gegessen. Und Brot haben wir natürlich auch gekauft! Ich bin zwar sehr begeistert von Porridge und Baconroll, aber gegen ein ordentliches Brot kommt eben nichts an!





Wenn in Deutschland die Hexen verbrennt werden und in den Mai getanzt wird, heißt es in Edinburgh: Beltane! Das Konzept ist relativ ähnlich, man trifft sich auf dem Calton Hill und feiert den Tod des Winters und die Auferstehung des Sommers. Das ganze ist von viel Feuer und Trommeln begleitet, es gibt also einiges zu gucken.
Kurz nach Sonnenuntergang ging es also los, mit hunderten von Darstellern, alle in ganz altertümlichen und sehr knappen Kostümen. Nach einer Eröffnungszeremonie an der Akropolis ging es dann in einer Prozession rund um den Berg. Dabei gab es verschiedene Stationen, die die vier Elemente darstellten, an denen dann kurze Vorführungen gezeigt wurden. An der Stelle wo wir standen wurden wir dann plötzlich von ganz seltsamen Gestalten überascht: mit nichts als einem Fetzen Stoff begleitet und komplett rot angemalt kam eine Gruppe Menschen auf uns zu, und machte doch sehr seltsame Bewegungen. Das ganze hatte schon irgendwie was animalisches, begleitet von ständigen Schreien und Fratzen. So ganz haben wir das nicht verstanden, interessant anzusehen war es aber auf jeden Fall!











Das Festival endete dann in einer großen Zeremonie, in der die Sommerkönigin den Winter getötet hat und ihn dann als Sommer wieder auferstehen ließ. So richtig was davon gemerkt haben wir allerdings nicht, bei 6°C und eisigem Wind. Aber vielleicht muss sich der Sommer auch erstmal von seiner Wiederauferstehung erholen.

Am nächsten Tag haben wir uns mit Unmengen an Menschen an der Princes Street versammelt - Gumball war in der Stadt! Während die männlichen Mitbewohner unserer WG ganz begeistert davon waren, musste ich erstmal googlen was das denn ist, ich hatte da nämlich noch nie was von gehört. Nach kurzer Recherche war dann auch ich im Bilde: Gumball ist ein wohl legendäres, in einigen Ländern sogar illegales Straßenrennen, bei dem die reichsten der Reichen mit aufgedonnerten Lamborghini, Ferrari oder Bentleys innerhalb einer Woche einen ganzen Kontinent durchqueren. Diesmal ging es von Dublin nach Bukarest, mit Zwischenstop zum Beispiel in Edinburgh. Neben Milliardärssöhnen, die wohl den Großteil der Fahrer darstellen, sind ab und an auch bekannte Gesichter dabei: so sind in vergangenen Jahren Joko&Klaas, David Hesselhof oder Lewis Hamilton mitgefahren. Obwohl ich nicht so wahnsinnig autobegeistert bin, war es trotzdem interessant sich das Ganze mal anzuschauen. So viele Sportschlitten und heulende Motoren bekommt man sonst in Edinburgh ja auch nicht zu sehen. Das unterhaltsamste waren für mich jedoch die vielen Fans: sobald ein Auto in Sicht war ging großer Jubel und Getöse los, und das obwohl sie im Stadtverkehr von Edinburgh teilweise nur Schrittgeschwindigkeit gefahren sind.







Am vergangenen Wochenende haben wir dann unsere Erlebnisse mit ein bisschen Tradition abgerundet. Auf dem Vorplatz vom Castle fand die jährliche Boys Brigade statt, eine Zeremonie bei der sich traditionelle Musikgruppen aus ganz Schottland vorstellen. Dabei ist "Musikgruppe" vielleicht nicht der passendste Ausdruck, den hier geht es nicht um Bands, sondern um traditionelle Marschmusik mit Dudelsäcken und Trompeten. Vier Gruppen waren diesmal dabei, von Grundschule bis zum Rentner waren alle Generationen vertreten. Zwar haben wir nicht ganz herausgefunden ob das eine Art Wettbewerb oder einfach nur eine Päsentation war, spannend war es aber in jedem Fall!




Und genau diese Erlebnisse zeigen mir dann wieder, wie cool es doch eigentlich ist im Ausland zu leben. Hier gehe ich vor die Tür und fahre fünf Minuten mit dem Bus, schon kann ich an so einer Tradition teilnehmen, die hier das Normalste der Welt ist, Zuhause jedoch undenkbar. Und dafür muss ich nicht erst knapp 2.000 Kilometer reisen - ich gehe einfach aus meiner Haustür. Ist das nicht irgendwie geil?!

Cheers!