Donnerstag, 4. August 2016

Blaue Flecken: Vom Massenansturm in Edinburgh und Golfern in weiter Ferne

Hi Folks! 

Der August ist da! Das heißt nicht nur, dass wir so ganz langsam auch ein bisschen Sonne bekommen (und ganze 18 Grad! Ich schwitze mich zu Tode!) sondern auch dass Edinburgh aus allen Nähten platzt: Festivalbeginn! Neben seiner Geschichte, dem Status als Schottischer Hauptstadt und dem Castle ist Edinburgh nämlich vor allem als Festivalhauptstadt Europas bekannt. Im August kommen Millionen Menschen von der ganzen Welt hierher, um sich entweder eine der unzähligen Shows anzusehen oder selbst als Mitwirkender auf der Bühne zu stehen. Nur mal so zum Verständnis, jedes Jahr kommen mehr als 4.000.000 Zuschauer. Das Fringe Festival, eines der 12 Edinburgh Festivals, ist das größte Theater und Comedy Festival der Welt, hat jedes Jahr um die 50.000 Shows in mehr als 300 Locations, mit ungefähr 2.000.000 Zuschauern. Und das ist nur eines der Festivals. Mit anderen Worten, in den nächsten Tagen wird sich die Anzahl der Menschen in Edinburgh verachtfachen, überall am Strassenrand wird man Künstler sehen die Kostproben von ihren Shows darbieten, die ganze Stadt wird sehr bunt, laut und voll. Wenn es nach mir geht eine wunderbare Sache, allerdings eben nur wenn man Zeit hat und mitten drin sein kann. Wenn man allerdings jeden Morgen durch die Innenstadt muss um zur Arbeit zu kommen, und jeden Feierarbend und das komplette Wochenende damit verbringen muss an seiner Masterarbeit zu schreiben, macht das ganze nicht mehr so viel Spaß. Dann nerven die Millionen von Menschen ganz schön, wenn man Ewigkeiten brauch nur um an der nächsten Ecke eine Flasche Milch zu kaufen. 

Aber was soll ich mich beschweren, ich werde ja noch ein paar Sommer mehr hier sein und dann auch hoffentlich Zeit haben die Festivalsaison zu genießen (oder vielleicht sogar selbst irgendwann mal die Fäden hinter den Kulissen zu ziehen!). Momentan sieht unser Sommer sehr trüb aus, neben arbeiten, an der MA schreiben und unseren Umzug vorbereiten bleibt keine Zeit für andere Dinge. 

Allerdings habe ich den Vorteil, ab und an beruflich ein paar angenehme Dinge zu erleben. Vor einer Woche war ich so zum Beispiel zu einem Golf Turnier eingeladen. Obwohl ich natürlich keinen blassen Schimmer von Golf habe, dachte ich, kann ich mir das ganze ja mal anschauen, da ist man wenigstens mal dabei gewesen. So wirklich Erwartungen hatte ich an den Tag ja nicht, aber wenn man schonmal eingeladen wird, sollte man die Chance auch nutzen. Nun hatte ich den Vorteil, dass ich abgesehen von der Gastfreundlichkeit von Visit Scotland auch noch die Gesellschaft eines Kollegen, der absoluter Golfprofi ist, geniessen durfte. Im Zug auf dem Weg nach Carnoustie, in der Nähe von Dundee, hat er mich dann erstmal aufgeklärt, dass das hier nicht einfach irgendein Golf Turnier ist. Wir waren kurz davor die Senior Open Championship zu besuchen, eines der größten und wichtigsten Turniere in Europa! Es läuft wohl so: alle professionellen Golfer die sich qualifizieren, spielen normalerweise in den “Open”, zum Beispiel die British Open, die vor ein paar Wochen stattgefunden haben. Da kann man so lange mitspielen wie man eben gut genug ist sich zu qualifizieren. Wenn man dann über 50 ist, kann man zusätzlich auch noch an den Senior Open teilnehmen. Das heisst das Turnier was wir gesehen haben war überhaupt kein oller Rentnerverein so wie ich mir das vorgestellt hatte, sondern voller ehemaliger und noch amtierender Profis – manche von denen spielen sogar auch noch die normalen “Open”. Und als ich dann durch das Programm blätterte, kam mir ein Name tatsächlich bekannt vor: der Deutsche Bernhard Langer! Von dem hatte selbst ich schon gehoert, nach kurzer Recherche fand ich dann raus dass er DER deutsche Golfer schlechthin war/ist und so ziemlich jeden Titel abgeräumt hat den es gibt! 



Mit dieser neuen Erkenntniss ausgerüstet und dem kompletten Regelwerk von meinen Kollegen erklärt, haben wir uns dann ins Getümmel gestürzt. Auf dem unendlich großen Golfplatz (ohne Mist, von einem Ende zum anderen ist man ungefähr 45 Minuten gelaufen – und das war nur die Längsausdehnung!) sind wir dann hin und her, von einem Loch zum anderen und haben uns immer wieder andere Spieler angeguckt. Dabei habe ich festgestellt, dass es beim Golfen selbst als Zuschauer etliche Regeln gibt: sobald der Golfer sich zum Abschlag bereit macht, stehen Mitarbeiter da die Schilder hochhalten auf denen “Quiet please!” steht. Man darf sich nicht mehr bewegen, muss stehen bleiben, darf nicht mehr reden und am besten auch nicht atmen, bis der Schlag vorbei ist. Und das gilt nicht nur wenn man direkt daneben steht, sondern auch wenn man 30 Meter entfernt ist. Ich hab heute noch blaue Flecken, da mein Kollege mich öfter ruckartig zum Stehenbleiben bringen musste – da hatte ich den abschlagenden Golfer in 50 Meter Entfernung noch gar nicht gesehen. Zu meiner großen Enttaeuschung durfte man auch den ganzen Tag keine Fotos machen – man könnte ja den Golfer stören. 

Vielleicht klinge ich damit etwas naiv, und das ist mit Sicherheit meinem absolut nicht vorhandenem Wissen diesem Sport gegenüber geschuldet, aber irgendwie war es doch sehr amüsant. Den ganzen Tag herrschte diese Spannung auf dem Patz, jeder war so unglaublich ernsthaft und hat spekuliert über die Windverhältnisse, den Steigungsgrad des Platzes sowie die Höhe des Rasens. Die Schotten nehmen ihren Sport auf jeden Fall todernst – so richtig wollte diese Ernsthaftigkeit jedoch nicht zu mir uebergehen. 

Ansonsten war es aber ein rundum gelungener Tag, ich weiss jetzt was ein Boogie ist, wie die Wertungen zustande kommen und warum der Schläger den man zum Putten verwendet zwei Zacken hat. Und Bernhard Langer habe ich auch gesehen! Solche Erlebnisse helfen dann doch ein bisschen den schnöden Alltag und MA-Stress zu vergessen. Auch wenn dieser Sommer dadurch so ziemlich für die Katz ist, bald ist es vorbei und ich werde mich wieder interessanteren Themen widmen können – wie dem Einrichten unserer neuen Wohnung! Jetzt heisst es aber für mich wieder den Kopf in die Bücher stecken, wenn ihr das nächste Mal von mir lest bin ich vielleicht schon ein kleiner Master! 

Bis dahin, Cheers!