Samstag, 23. Mai 2015

Surffestival bei Windstärke Null und Besuch bei Mrs. Pomfrey!

Ciao Ragazzi,

nach langem Hin- und Hergeschiebe der Organisatoren, fand am letzten Wochenende endlich das Surffestival in Recco statt. Der kleine Ort ca. 30 Minuten von Genua entfernt, berherbergt außer einer langen Strandpromenade und einem niedlichen Hafen nicht viel, und wird gerade deshalb, wegen der Ruhe und den wenigen Touristen, als absoluter Surferhotspot angesehen. Wegen schlechter Bedingungen wurde das Festival immer wieder verschoben, jetzt war es aber endlich soweit. Mehr als 50 Surfer aus allen möglichen Ländern hatten sich angekündigt, um den kleinen ligurischen Dorf mal zu zeigen, wo der Hammer hängt.
So war der Plan.

Mal abgesehen davon, dass es in Strömen geschüttet hat, als wir aus dem Zug stiegen, herrschte außerdem Windstärke Null. Absolut nichts. Zero. Niente.
Warum die Veranstalter das Festival immer wieder verschoben hatten, um es dann genau an diesem, absolut windstillen Tag stattfinden zu lassen, mag verstehen wer will. Die Surfer jedenfalls lagen den Großteil des Tages ziemlich gelangweilt auf ihren Brettern rum, und warteten bis sich mal eine Miniwelle zeigte. 
Also haben wir die erste Zeit genutzt, um ein bisschen über die Strandpromenade zu schlendern, die über und über mit Verkaufsständen war. Allerhand Surfbretter, Neoprenanzüge, Klamotten, Longboards und so weiter konnten erstanden werden, bei einer leckeren Käsefocaccia und der entspannten Surfermusik, die über das ganze Areal schallte, ließ es sich auch ganz gut ohne Wellen aushalten. 
Doch am Nachmittag zeigte sich das Wetter dann doch noch einmal von seiner freundlicheren Seite, die Sonne kam raus und es wurde richtig warm, und auch zumindest ein paar Wellen rollten in die Bucht. So waren alle mit sich selbst beschäftigt, die Besucher quatschten und haben gegessen, und in regelmäßigen Abständen brach dann immer leichte Panik aus, weil eine Welle kam und alle zum Strand schauten, um wenigstens ein paar stehende Surfer zu sehen. Nachdem die Welle vorbei war, war das Essen dann aber wieder wichtiger. 

Nachdem ich mir das ganze Spektakel eine Weile lang angeguckt habe, habe ich meinem inneren Schweinehund einen Ruck gegeben, und habe es selbst ausprobiert. Man konnte einen 20-minütigen Mini-Einführungs-Schnupperkurs machen, bei dem man Neo und Brett bekam, 2 Minuten an Land eingewiesen wurde, und dann mit zwei Lehrern und sieben weiteren Mutigen aufs Wasser gegangen ist. Da das ganze kostenlos war, und ziemlich cool aussah, konnte ich mir das natürlich nicht entgehen lassen. Also rein in den versandeten Neo, und ab ging die wilde Fahrt! 
Ich muss auch sagen, so schwierig ist das gar nicht. So ganz nachvollziehen kann ich es immer noch nicht, dass die Lehrer da gesagt haben, man braucht wenigstens 3 Wochen um Surfen zu lernen. Ich bin gepaddelt, aufgestanden, und stand. Auch in den weiteren Versuchen habe ich es nur einmal geschafft, nicht ganz aufzustehen, und bin ins Wasser geplumpst, als ich auf den Knien war. Man muss natürlich dazu sagen, dass es ja nur Miniaturwellen waren, und auf dem Brett zu stehen und auf der Welle zu gleiten, bedeutet auch noch nicht, Surfern zu können. Aber ich glaube das grundlegende Prinzip hatte ich sofort raus. (Könnte aber auch an meinen 10 Jahren Snowboardfahren liegen, also ich will ja hier niemanden zu Nahe treten.)






Es war also wirklich mega cool, und hat mir super viel Spaß gemacht. Auf jeden Fall möchte ich das Surfen irgendwann mal richtig lernen, und dann auch ein bisschen mehr können als nur auf dem Brett zu stehen!

Nach diesem sehr schönen Wochenende musste ich mich leider mit weniger angenehmen Dingen beschäftigen. Ich war so krank geworden, dass ein Arztbesuch, obwohl ich mich bis zuletzt dagegen gewehrt habe, unumgänglich wurde. Ich fragte meine Kollegin, wo ich denn hingehen sollte, da ich ja keinen Arzt hier kenne, und von meinen Mitbewohnern schon absolute Horrorstorys gehört hatte, mit mehr als 6 Stunden warten und trotzdem nicht drankommen. Sie hat mir empfohlen, einfach zur Notaufnahme zu gehen, da werden sie mich irgendwann schon behandeln, und da ich Deutsche bin und dementsprechend hier keinen Hausarzt habe, seie das die gängige Methode. Also bin ich früh um 7.00 aufgebrochen, und habe mich in die Notaufnahme begeben. Nachdem dort erstmal gar kein Mensch war, und ich herausgefunden hatte, dass die NOTAUFNAHME ÖFFNUNGSZEITEN hat (vor 08.00 und nach 17.00 darf man hier nämlich keinen Notfall mehr haben), durfte ich aber trotzdem einchecken. Ich bekam, wie soll es auch sonst in diesem Land gehen, eine Nummer, und wurde als Code grün eingestuft. Dann hatte ich noch eine gute Stunde Zeit herauszufinden, was das zu bedeuten hatte, denn auch wenn ab 08.00 geöffnet ist, wird natürlich erst über eine halbe Stunde später angefangen, die wartenden Patienten zu behandeln. In der Zeit habe ich herausgefunden, dass es vier verschiedene Codes gibt: Rot wird sofort behandelt, gelb innerhalb von 20 Minuten, grün innerhalb von 2 Stunden und weiß muss so lange warten, bis alle anderen Dringlichkeitsstufen durch sind. Das bedeutet auch, wenn ein Patient mit einer höheren Stufe nach dir kommt, wird er automatisch vor dir behandelt, und du rutschst eine Nummer nach unten. Eigentlich ein cleveres System, nur blöde wenn man weiß ist und den ganzen Tag warten muss. 

Ich war aber wie gesagt grün, und da sich auch kein gelber oder roter Patient vor mich geschoben hat, war ich gleich als erstes dran. Schon als ich durch das Gebäude geirrt bin, und die Notaufnahme gesucht habe, kam ich mir sehr wie bei Harry Potter vor. Der ganze Komplex war riesig, mit unendlich vielen Gängen, Etagen und Abzweigungen, alles im Altbaustil, mit hohen Fenstern und Holztüren. Wäre ich sich bewegenden Treppen begegnet, ich hätte mich nicht gewundert. 
Auch als ich dann im "Behandlungszimmer" war, was eigentlich ein Büro war, wurde es nicht besser. Die Einrichtung komplett veraltet, die Tische und Stühle zersplittert, die Liegen hatten keine Räder und waren so verrostet, dass ich froh war mich nicht darauflegen zu müssen. Den Höhepunkt erreichte die Skurrilität dann, als man mir in meinen Hals gucken wollte, und dafür die Taschenlampenfunktion des Handys benutzte. Eine normale Lampe, wie bei uns wohl jeder Krankenschwester hat, hatte von den 3! mich behandelnden Ärzten augenscheinlich niemand. Aber, auch wenn alles etwas seltsam war, sie waren sehr nett zu mir und haben mich am Ende mit dem richtigen Rezept und einer vertrauensvoll klingenden Diagnose weiter geschickt. Nachdem ich wieder eine Nummer gezogen habe, um mein Ticket zu bezahlen (was hier jeder bezahlt, wenn er ins Krankenhaus geht), und nach einer Irrtour durch das Gebäude eine weitere Nummer gezogen habe, um meine Medikamente zu bekommen, war ich endlich fertig. Nach gut 3 Stunden hatte ich alle notwendigen Stationen durchlaufen, und konnte mich auf den Rückweg machen. Mrs. Pomfrey winkte mir an der Pforte zu. Ich schwöre, sie war's!

Heute ist auch schon mein letztes Wochenende hier angebrochen, morgen fahre ich mit Anni nach Monaco, am Montag kommen meine Eltern. Nur noch ein paar Tage arbeiten, dann ist mein Praktikum schon vorbei. Dass ich dann nicht mehr arbeiten muss, damit kann ich leben. Denn obwohl mir die Arbeit Spaß macht - ihr wisst ja wie das ist - nicht arbeiten zu müssen ist eben doch noch viel spaßiger. Aber dass ich dann wirklich von hier weg muss, das habe ich noch nicht so ganz realisiert. Mir kommt es total seltsam vor, jetzt so langsam meine Sachen zu packen, und zu überlegen was ich in den verbliebenen 5 Tagen noch brauche und was schon in den Koffer kann. Es ist absolut komisch. Ich freue mich auf zu Hause. Aber ich habe das Gefühl, je mehr ich herumreise und an anderen Orten lebe, desto mehr bin ich auch an anderen Orten zu Hause. Meine eigentlich Heimat ist natürlich Leipzig, bei meinen Freunden und meiner Familie. Aber ich habe schon im Februar ein Stück Heimat in Bologna gelassen. Und jetzt muss ich ein noch viel größeres Stück Heimat hier in Genua lassen, wo ich auch sehr gute Freunde gefunden habe. So sehr ich mich auf zu Hause freue, so sehr merke ich auch, dass mein zu Hause inzwischen nicht mehr nur ein Ort ist. 

P.S. Inzwischen geht es mir übrigens wieder gut, die Ärzte scheinen trotz fehlender Taschenlampe das Problem gefunden zu haben!

Bacci!

Mittwoch, 13. Mai 2015

Trotz-Shopping, Che Guevara mit Carmen in Cuba und niedliche Springdelfine!



Ciao Ragazzi,

da ist es, das schöne Wetter! Es zeigt sich mal wieder, man muss nur mal so richtig meckern, und dann wird das schon. Seit einer guten Woche haben wir herrlichstes Frühsommerwetter, mit Temperaturen um die 25 Grad, Sonnenschein, blauem Himmel. So lässt es sich leben!

Und um das Ganze zu nutzen, habe ich in den letzten Tagen auch wieder einiges erlebt. Angefangen hat das Spaß-Programm mit einem Ausflug zum Shoppen nach Mailand, der sich allerdings auch nur sehr italienisch ergeben hat. Eigentlich war für den Tag ein Surffestival im 30 Minuten entfernten Recco geplant. Dies wurde jedoch aufgrund von schlechtem Wetter (sprich: kein Wind) abgesagt. Dachten wir uns, alles klar, kein Problem, gehen wir woanders hin. Aus meinem Reiseführer hatte ich entnommen, dass an demselben Wochenende in Santa Margherita di Ligure eine große, internationale Segelregatta stattfinden sollte. Also schauten wir nach Zügen, planten unseren Tag, packten die Taschen, nur um dann festzustellen, dass die Regatta auch abgesagt wurde. Warum weiß keiner, sie wird auch nicht auf einen anderen Tag verschoben (wie das Surffestival), fällt einfach aus. Auf der Website stand nur „wir lassen es dieses Jahr ausfallen, um dann nächstes Jahr mit tollem Spektakel zurück zukommen.“ Danke. 


Da wir so ein bisschen die Nase voll hatten von der italienischen Organisation, sind wir also zum Trotz-Shoppen nach Mailand gefahren. Dabei muss ich immer wieder die italienische Bahn loben: viele Züge, gute Verbindungen, guter Komfort, und das zu einem unschlagbaren Preis. Das Zugfahren wird mir definitiv in Deutschland fehlen!




Als ich meinen Eltern vom Mailand-Ausflug erzählte, fragten sie mich gleich, ob ich mir auch die EXPO anschauen will. Und ich muss zugeben, ich hatte kurz darüber nachgedacht, hatte dann aber niemanden gefunden der mitfahren wollte, und um alleine hinzugehen war es mir dann doch zu teuer (35€ für das Tagesticket) und nicht wichtig genug. Außerdem hätte ich damit wohl meine Glaubhaftigkeit als „Teilzeititalienerin“ verloren, denn alle meine Freunde sind sich einig: wenn man für ein demokratisches und gerechtes, lebenswertes Italien ist, geht man nicht auf die EXPO. Gerade um das Eröffnungswochenende konnte man wieder viel in den italienischen Medien hören: die Hälfte der Gelder fließt an die Maffia, die Bauarbeiter arbeiten für einen Appel und ein Ei, sonstige Mitarbeiter werden sowieso nicht bezahlt, sind alles Volunteers, und die Hälfte des EXPO-Geländes ist noch nicht mal fertig. Viel mehr wird viel Show um nichts gemacht, was die Italiener erfahrungsgemäß recht gut können. Was und wie viel davon wahr ist, wird man wohl nie herausfinden, aber: meistens ist doch was Wahres dran. 


Nachdem ich also mit Anni Mailand unsicher gemacht habe, und wir uns ein bisschen im Großstadt-Feeling entspannt haben, ging es letztes Wochenende gleich kunterbunt weiter. Angefangen mit Freitag Abend: Unsere Kollegin fragte uns, ob wir nicht auf ihren kleinen, knapp 4 Jahre alten Sohn aufpassen könnten. Da sie ein Haus mit Blick über die Stadt hat, und uns obendrein Pizza und Eis versprach, haben wir nicht lange gezögert. Es war auch ein wirklich lustiger Abend, der mit viel rumtoben und spielen begann, und mit einem vollgekotzten Kind endete. Trotzdem war es einfach der niedlichste und schönste Italiener, dem ich jemals begegnet bin! 


Samstag haben wir uns dann etwas Kultur gegönnt. In der städtischen Oper lief Carmen, und da ich sowohl zu meinen Opernkinderchorzeiten selbst in Carmen mitgespielt habe, als auch in Bologna einen Dramaturgie Kurs nur zum Thema Carmen belegt hatte, konnte ich mir das natürlich nicht entgehen lassen. Ich überredete Anni, die das erste Mal in einer Oper und dementsprechend gespannt war, und wir besuchten die Samstag-15.30-Oma-Vorstellung. Der (zugegebenermaßen riesige) Saal war zwar nur zu 2/3 gefüllt, trotzdem war ganz schön was los. Als das Stück anfing, war ich erst etwas verwirrt, da es im Kuba von heute zu spielen schien, mit Che Guevera Fahnen und Ananas-Hüten. (Für alle Nicht-Carmenkenner: Carmen spielt in Spanien, es handelt von Zigeunern und enthält einiges an Flamencomusik). Aber wenn man sich dann so ein bisschen reingeguckt hat, dann war es doch ganz stimmig. Selbst mich, die ich eigentlich moderne Inszenierungen hasse, hat es am Ende doch überzeugt. Stellt sich zwar immer noch die Frage, ob man das machen muss, und Carmen nicht einfach lassen kann wo sie hingehört, aber wenigstens hat es am Ende Sinn gemacht. Chor und Solisten waren recht gut, nur das Orchester konnte nicht so recht überzeugen. Mag aber daran liegen, dass man als Leipziger mit dem Gewandhausorchester einfach Anderes gewohnt ist. Insgesamt aber ein durchaus runder Nachmittag!


Am Sonntag gab es dann das absolute Kontrastprogramm: bei sonnigen 25 Grad sind wir Mittags an Bord gegangen, und zu einer vier-stündigen Whalewatchingtour aufgebrochen. Mit (natürlich) einer riesigen deutschen Rentnergruppe zusammen, haben Arianna und Ich den felsenfesten Plan gehabt, Wale zu sehen. Doch selbst nach 4 Stunden wurden unsere Träume nicht erfüllt, und wir mussten in Genua wieder anlegen. Gelohnt hat sich das ganz trotzdem: abgesehen von einer herrlichen Bootsfahrt bei sommerlichen Temperaturen  und absoluter Windstille, haben wir auch eine Gruppe von 60 Delfinen gesehen! Eine knappe Stunde sind wir immer wieder im Kreis gefahren, und die niedlichen Schwimmer sind in unseren Wellen gesprungen. Leider war es etwas schwierig, Fotos zu machen, denn die Kleinen sind verdammt schnell! 




Inzwischen sind auch schon meine letzten Tage hier angebrochen. In 12 Tagen kommen meine Eltern, 5 Tage später fahren wir dann zusammen nach Hause. Mein Praktikum ist dann vorbei, aber noch viel schlimmer ist, dass meine Zeit in Italien dann (vorerst) vorbei ist. Natürlich freue ich mich auf zu Hause, auf Rouladen und geordnete Strukturen, aber Italien wird mir doch verdammt fehlen. Momentan bin ich noch nicht davon überzeugt, dass es jetzt an der Zeit ist, dieses Land zu verlassen, auch wenn Freunde und Familie da anderer Meinung sind. (Meine Eltern sagten das aber schon, als ich kaum eine Woche da war, von daher zählt das irgendwie nicht so richtig.)Und irgendwie habe ich auch das Gefühl, je näher der Tag meiner Abreise kommt, desto mehr halte ich mich hier fest, und will auf keinen Fall gehen. Deswegen versuche ich einfach, so viel wie möglich aus meinen verbliebenen Tagen hier zu machen, und die Heimfahrt gaaaaaanz weit von mir wegzuschieben. Denn Dinge zu verdrängen, und einfach so zu tun als wären sie nicht da, das habe ich in Italien richtig gut gelernt.



Bacci!

Freitag, 1. Mai 2015

Sommer, Sonne, Regenschirm - oder: Wie die Kleiderwahl zur größten Herausforderung des Tages wird.

Ciao Ragazzi,

nun mag es nicht der literarisch hochwertigste Einfall sein, über das Wetter zu reden. Ich mach es aber trotzdem. Denn nichts beschäftigt mich in den letzten Tagen mehr, als das was uns der Himmel tagtäglich beschert.

Immer wieder erreichen mich Nachrichten von euch, in denen ich gefragt werde ob es denn schon richtig Sommer ist bei mir. Wir müssten doch schon 30 Grad haben und den ganzen Tag am Strand liegen, schließlich gab es ja auch in Deutschland schon ein paar sonnige und warme Tage. Ich kann euch sagen: Nein.
So etwas wie das genuesische Wetter habe ich tatsächlich noch nie erlebt. Zwar ist es nicht arktisch kalt, also so mindestens 15 Grad herrschen hier eigentlich immer, aber irgendwie habe ich das Gefühl der Sommer ist steckengeblieben. Wie eine alte Oma, deren Krückstock sich irgendwo verhakt hat.

Ich kann mich noch erinnern, wie ich hier angekommen bin, Ende Februar, und es selbst nachts nie kälter als 10 Grad war, und ich mich schon auf den Frühling gefreut habe, ihn quasi schon riechen konnte. Doch leider ist es dabei geblieben, ich rieche ihn immer noch - zu sehen ist aber nüscht. 

Zwar ist es inzwischen minimal wärmer geworden, wir dümpern jetzt immer so bei 18 Grad rum, von warmen, italienischen Frühsommer ist aber nichts zu spüren. Das sonderbare ist jedoch, dass wir hier ziemlich konstante Temperaturen haben, 24 Stunden am Tag. Der Unterschied zwischen Tag und Nacht beträgt meist nicht mehr als 1-2 Grad, sodass die Nächte schon durchaus angenehm sind. Nur feht eben noch ein bisschen Energie tagsüber. Das große Problem ist nämlich, dass seit 15. April alle Heizungen ausgeschalten sind. Klar, man mag denken 18 Grad draußen sind nicht sonderlich kalt. Wenn dann aber auch 18 Grad drinne herrschen, und man den ganzen Tag bewegnungslos vor dem Rechner sitzt, wird es doch ziemlich schnell ziemlich dolle kalt.

Und das kann man auch den normalen Bürgern hier ansehen: die berühmten italienischen Puffjacken, welche die Bevölkerung schon durch den Winter gebracht haben, werden hier bis in den Mai getragen. Überall sieht man noch Menschen mit diesen dicken, gefütterten, bunten Jacken, die immer ein bisschen an Michelin-Männchen erinnern, teilweise selbst noch mit Mütze und Handschuhen! Ich meine, mir ist ja auch kalt, aber ich bitte euch, Handschuhe bei 18 Grad?!
Als ich letztens einen meiner Rundgänge durch H&M gemacht habe, bin ich auch richtig erschrocken, als ich auf einmal Bademode gesehen habe. Bis Mitte April war davon nichts zu sehen, jetzt so langsam geht es los, dass die Italiener auch an die Bikinisaison denken. Irgendwie lustig, dass in einer Stadt, die den Strand vor der Nase hat, vor Mitte April keiner an den bevorstehenden Sommer denken will, während es in Deutschland Ende Februar schon keiner mehr erwarten kann, sich endlich in die Sonne zu legen.

Außerdem ist das genuesische Wetter sowas von launisch, da ist ein deutscher April nichts dagegen. Einen Tag scheint die Sonne, der Himmel war niemals blauer, und in einer windstillen Mittagspause wird man so gebraten, dass man eigentlich nur noch ans Meer will (die Sonne hat hier schon eine unglaubliche Kraft, wesentlich heißer als in Deutschland!). 



Bereits am nächsten Tag wird man von sinnflutartigen Regen geweckt, der auf die Plastedächer vor meinem Fenster knallt, das Meer tost im Hafen und der Himmel sieht aus, als würde er jeden Moment alles in verschlingen, was ihm in die Quere kommt. Vom ständig vorherrschenden Meerwind mal abgesehen. 


 
Außerdem gibt es einen Wochenendfluch, von dem mir unabhängig voneinander verschiedene Genuesen erzählt haben, und den ich inzwischen auch schon am eigenen Leib gespürt habe: solange man arbeitet, also von Montags bis Freitags, ist das Wetter Bombe, blauer Himmel, Sonnenschein. Sobald sich die Woche aber dem Ende neigt, wird das Wetter zu einer kleinen, eingeschnappten Zimtzicke, die sich nur noch von ihrer schlechtesten Seite zeigt. In 5 von meinen 7 Wochen hier war das so.

Erschwerend hinzu kommt noch, dass mein Arbeitsweg ganz fürchterlich steil und langgezogen ist, sodass ich frierend aus dem Haus komme, und eigentlich schon wieder duschen könnte, sobald ich im Büro bin. Stellen wir uns einen durchschnittlichen Tag vor: ich trage Pullover, Jacke, Tuch. Ich gehe aus dem Haus, laufe ein Stück Berg ab, und komme in der Via Cairoli an. Diese liegt im Schatten, ebenertig, ich fröstel ein bisschen. Anschließend geht es in die Via Garibaldi, der Prachtstraße Genuas, die zwar kerzengerade ist, jedoch vollkommen in der Sonne liegt. An diesem Punkt lege ich meistens mein Tuch ab. Am Ende der Via Garibaldi komme ich auf einen Platz, von dem mich ein kleine, doch recht steile Gasse zum Piazza Corvetto führt. Die Gasse liegt zwar im Schatten, geht aber so stark bergauf, dass ich am Ende die Jacke ausziehen muss. Nun muss ich die riesige Piazza Corvetto überqueren, und jedes Mal an 2 Ampeln anhalten. Außer Atem von der steilen Gasse, und in der prallen italienischen Sonne. An diesem Punkt krempel ich dann auch noch die Ärmel hoch. Denn jetzt kommt ja erst das Meisterstück, die Straße meines Büros, Via Assarotti. Diese zieht sich gefühlte 3 Kilometer den Berg hoch, mit einem stetigen Anstieg von ungefähr 628%. Wenn ich diese dann bewältigt habe, und vollkommen außer Atem im 6.Stock und somit in meinem Büro ankomme, muss ich auch noch den Pullover ausziehen. Um 15 Minuten später anzufangen, alles in umgekehrter Reihenfolge wieder anzuziehen, denn im Büro sind ja nie mehr als 18 Grad.

Bacci!