Freitag, 3. Februar 2017

“HOME” – so fern und doch so nah

Hi Folks, 
An sich ist Englisch ja eigentlich eine ganz freundliche Sprache. Man lernt sie von klein auf, es gibt viele Ähnlichkeiten zum Deutschen oder sogar ganze Worte und Redewendungen die in das Deutsche bzw. Englische übernommen wurden. Nach anderthalb Jahren in Schottland ist Englisch auf jeden Fall so etwas wie meine zweite Muttersprache geworden.

Bei einer Sache gerate ich aber doch immer wieder in Erklärungsnot: das Englische hat weniger Worte als das Deutsche, während wir in fünf verschiedenen Nuancen ausdrücken können was genau wir meinen, kennt das Englische meist nur ein Wort. Wenn mich dann jemand fragt wo ich herkomme, oder gar wo mein Zuhause ist, dann kommen wir so richtig in die Bredouille. Würde ich im Deutschen sagen mein Zuhause ist Edinburgh, meine Heimat jedoch Leipzig, muss ich meinen englischsprachigen Mitmenschen irgendwie verklickern dass ich mehrere “homes” habe, die jedoch unterschiedlich gewichtet werden, eigentlich nur das eine ein wirkliches “home” ist und das andere sich ständig ändern kann. Schließlich ist Heimat für mich mein geliebtes Leipzig, der Ort an dem ich aufgewachsen bin, an dem viele meiner Freunde und meine Familie lebt, an den ich immer zurückkehren kann. Zuhause hingegen ist der Ort an dem ich lebe, wo ich hingehe wenn ich nach einem Abend im Pub sage “I’m going home.” Dass diese Art von home eine ganz andere als die erstgenannte ist verstehen hier viele nicht. Dabei muss man dabei doch ganz klar unterscheiden – oder etwa nicht?

Als wir im September von einer Woche Heimaturlaub wiedergekommen sind saß ich wie auf heißen Kohlen. Wir waren nun ein Jahr in Schottland, das reichte mir eigentlich. Ich wollte weiter, neue Länder und Städte erkunden, neue Menschen kennen lernen. In den letzten vier Jahren acht mal umgezogen zu sein hilft nicht wirklich dabei sich irgendwo heimisch zu fühlen. Zumal ich das auch gar nicht wollte, für mich war ja klar dass Heimat Leipzig bedeutet und Edinburgh nur eine Zuhause auf Zeit (von vielen) werden sollte. Aber jetzt sind wir nunmal hier und durch Philips Doktor auch noch eine Weile an Edinburgh gebunden. So richtig weiss ich immer noch nicht wie ich das finde.

Denn das ständige Umziehen und sich neu orientieren bedeutet auch, dass man sich nicht so wirklich auf einen Ort einlassen muss. Natürlich sieht und erlebt man mehr als ein Tourist das würde, aber nach ein paar Monaten zieht man einfach weiter und lebt ein neues Leben an einem neuen Ort. Je länger ich hier bin, desto mehr verfluche ich Edinburgh, da es meistens kalt und grau ist, mich festhält und mir irgendwie meine Freiheit nimmt. Je länger ich hier bin, desto mehr schliesse ich Edinburgh aber auch in mein Herz, desto mehr wird es ein ganz kleines bisschen Heimat und nicht nur Zuhause. Man läuft jeden Tag denselben Weg zur Arbeit, hat seinen Lieblingsplatz für die Mittagspause und eine ganze Sammlung von tollen Pubs. Wenn ich mal für einen Tag in Glasgow bin oder wir übers Wochenende wegfahren, überkommt mich ein wohliges Gefühl wenn ich wieder nach Edinburgh zurückkehre. Auch Anfang Januar, als wir nach Weihnachten wieder zurück geflogen sind, war es das erste Mal ok, Leipzig und die Familie zu verlassen. Es war eben so, wir leben nunmal woanders.


Klar ist es schön wenn man sich auch dort zuhause fühlt wo man zuhause ist, selbst wenn es nur für eine gewisse Zeit ist. Irgendwie wiederspricht das jedoch meiner Weltenbummler-Philosophie: ankommen, einleben, Land und Leute kennen lernen, Sprache lernen, unvergessliche Erinnerungen sammeln, weiterziehen, wiederholen. Denn eins steht fest, Edinburgh wird für immer ein wichtiger Teil unseres Lebens und wir immer mit der schottischen Hauptstadt verbunden sein. 
Und deswegen, obwohl ich es kaum erwarten kann weiter zu ziehen und neue Abenteuer zu erleben, graut es mir auch schon vor dem Tag, an dem wir Edinburgh verlassen werden. Denn ein Zuhause zu verlassen ist leicht, ein Stückchen “home” zu verlassen jedoch nicht. 

Cheers!