Freitag, 16. September 2016

Fernweh



Hi Folks,

Nun ist es schon wieder Mitte September, und während ihr noch der Hitze ausgesetzt seid, zeigen sich hier schon die ersten Anzeichen des Herbsts. Bei frischen 15 Grad, Regen, Nebel und Wind zeigt sich Schottland mal wieder von seiner freundlichsten Seite. Und selbst die ersten Blätter haben sich schon dazu entschlossen, braun zu werden. Dabei hilft nur sich einen Pulli anzuziehen, eine schöne Tasse Tee zu machen und sich einfach in wärmere Gebiete zu träumen. Denn abgesehen von dem zu Ende gehenden Sommer (haha, als ob hier jemals Sommer gewesen wäre!) habe ich noch ein ganz anderes Problem: Fernweh!
 

Ja, das mag komisch klingen, wenn man doch sowieso schon im Ausland lebt. Aber nach nun einem guten Jahr in Edinburgh hat sich auch hier Routine eingestellt. Die leckere Baconroll zum Frühstueck kann man inzwischen nicht mehr sehen, den Cider hat man über und selbst der schottische Akzent bringt einen weder zum Schmunzeln noch zum Nachdenken. Man kennt die Straßen und Wege in – und auswendig, weiß wo die schönsten Parks sind und kann selbst schon die schottische Handynummer aus dem Gedächtnis aufsagen. Alles ist normal geworden. Und damit irgendwie auch langweilig. Denn genau das ist es ja, was ich nie wollte, diese Ruhe und Routine, jeden Tag das selbe zu machen und nicht darüber nachdenken zu müssen. Den Alltag ohne Herausforderungen einfach hinter sich zu bringen. Was für eine schreckliche Vorstellung. 


Da wir aber nun dank Philips Doktorandenstelle mehr oder weniger an Schottland gebunden sind, muss ich mir eben auf anderen Wegen ein bisschen Exotik ranholen. Und schonmal Pläne schmieden. Denn darin war ich schon immer gut, man kann nie weit genug im Vorraus planen! Und dass wir spätestens mit Philips Abschluss dem kalten Schottland den Rücken kehren, darauf könnt ihr euch verlassen. Nicht dass es hier nicht schön ist, es ist ein ganz wunderbares Land, und ich kann nur wärmstens (welch Ironie!) empfehlen uns einmal besuchen zu kommen (kostenlose Unterkunft!). Aber für immer möchte ich hier auf keinen Fall leben. So banal es klingt, dafür ist mir das Wetter einfach zu schlecht. So vieles was in Deutschland selbstverständlich ist, im Garten sitzen und grillen, in den Freistz gehen, Freibäder, das alles gibt es hier einfach nicht. Und damit fehlt mir doch ein ganz wesentlicher Teil meiner deutschen und in Italien angeeigneten Kultur. 


Aber zurück zum Pläne schmieden: Wohin es genau gehen soll wenn unsere Zeit in Schottland zu Ende ist, ist noch nicht so ganz klar. Natürlich hängt dass dann auch davon ab wo man einen Job bekommt und so weiter, aber so eine ungefähre Richtung wäre schon irgendwie ganz gut. Meine Oma würde jetzt sagen: “Euch steht doch die ganze Welt offen!” – und genau das ist das Problem. Obwohl es natuerlich super ist, dass wir theoretisch hingehen können wo wir wollen, macht es die ganze Sache doch auch irgendwie gruselig. Wie soll man sich denn da noch entscheiden, wo es doch soo viele Plätze und Länder auf der Welt gibt, die ich unbedingt noch bereisen muss?! 



Meine Mama sagt immer, wenn man so viel zutun hat, dass man das Gefühl hat es bricht einem über dem Kopf zusammen, dann muss man einfach irgendwo anfangen. Egal wo. Hauptsache man macht irgendwas. Dann kann man das von seiner Liste streichen und sich dem Nächsten widmen. Und genau das werde ich jetzt machen. Ich werde mir ein Land nach dem anderen vorknöpfen und es dann von meiner Liste streichen. Wo es zuerst hingeht ist dabei eigentlich relativ egal, hauptsache man fängt irgendwo an. Dieses Jahr konnten wir schon Island und Irland streichen, im Oktober geht es nach Malta. Momentan stehe ich bei 25. Das heisst mir stehen noch 169 Abenteuer bevor. 
 

Klingt gar nicht mehr so langweilig, was?!

Cheers!

Nachtrag: Eine Schifffahrt zum Mond


Hi Folks, 

Zum Abschluss unseres (geplanten) Jahres in Schottland, haben wir einen herrlichen Roadtrip geplant: die Outer Hebrides! Diese Region bezeichnet eine Inselgruppe im Nordwesten Schottlands, eine der rauesten und am dünnsten besiedelsten Gegenden des Landes. Eigentlich nur durch Zufall bin ich mit meiner deutschen Freundin Marilena auf die Idee gekommen, da so eine Route in meinem Reiseführer beschrieben war und uns mit herrlichsten Bildern angelockt hat. Weisse Sandstrände, türkisblaues Meer – und das in in Schottland! Das war einfach zu schön um wahr zu sein! 

Wir haben uns also ein Wochenende Mitte August rausgesucht, ich habe mir frei genommen, wir haben die Fähren gebucht, nur um dann festzustellen dass es nicht EINE Unterkunft (zu akzeptablen Preisen) gibt, die noch freie Betten hat. Da wir nun aber schon alles geplant hatten und es keinen Ausweichtermin hatten, blieb nur noch eine Möglichkeit: Campen! Keiner von uns dreien hatte das jemals zuvor gemacht (mal abgesehen von im Garten zelten), aber wir waren bereit die Herausforderung anzunehmen – und unser Mut sollte belohnt werden! 

Nachdem ich also am Donnerstag abend Feierarbend hatte, sind wir losgefahren, und haben die 5-stündige Anreise nach Ullapool, einer kleinen Küstenstadt mit Fährhafen hinter uns gebracht. Von dem Hörbuch “Antonio im Wunderland” und sagenhaften Aussichten begleitet ging das Gott sei Dank auch relative schnell und wir konnten die vorerst letzte Nacht in Zivilisation in einem Hostel verbringen. Am nächsten Morgen ging das Abenteuer dann los: 2,5 Stunden Fährfahrt und ordentlichen Seegang später sind wir in Stornoway angekommen, der Hauptstadt der Insel Lewis and Harris. Von der (mikroskopischen) Stadt haben wir allerdings nicht viel gesehen, wir haben uns lieber gleich aufgemacht und sind an die nördlichste Spitze der Insel gefahren. Obwohl das Wetter eher bescheiden war, war die Landschaft gleich unfassbar: tosendes Meer, einsame, mit Sandstrand ausgestattete Buchten und gaaaaaanz viele Schafe. Diese sollten uns noch in den nächsten zwei Tagen begegnen: auf der Straße vor uns liegend, auf dem Gras neben uns dösend oder gerne auch an den Klippen herumspringend. Den ganzen Nachmittag sind wir also umher gefahren, sind von Lewis auf den zweiten, wesentlich bergigeren Teil Harris gewechselt und haben hier und dort angehalten. Die Landschaft ist tatsächlich atemberaubend – endlose Sandstrände, rauer Wind und ganz viel nichts. 















Leider hatten wir gegen Abend hin immer schlechteres Wetter, sodas wir viel von der schönen Landschaft vor allem auf Harris vor lauter Nebel und Regen gar nicht sehen konnten. So haben wir uns dann kurz vor Einbruch der Dunkelheit ein lauschiges Plätzchen direkt an einem riesigen Strand gesucht, in strömenden Regen unser Zelt aufgebaut (was Dank Quechua – Wurfzelt sehr schnell ging) und es und darin gemütlich gemacht. Ein bisschen mulmig war uns ja schon bei der Sache, von der Angst zu erfrieren, im Regen zu ertrinken oder von Schafen/Grizzlys/seltsamen Menschen heimgesucht zu werden war eigentlich alles dabei. Aber wir haben die Nacht gut überstanden, haben nicht gefroren und sind am Morgen mit einem wunderbaren Ausblick aufgewacht. 




Nachdem alles zusammen gepackt wurde sind wir zu unserer nächsten Fähre gefahren – um mit einem Schlag gleich das Meiste der Inseln zu sehen, haben wir noch einen Abstecher nach Uist gemacht. Diese Inselgruppe besteht aus unendlich vielen kleinen Inseln, die alle über Dämme miteinander verbunden sind. Während Lewis und Harris noch irgendwie wild romantisch waren, war Uist dann nur noch wild. Hier gab es wirklich kaum Häuser, es gibt nur eine einzige Straße die einmal die komplette Insel entlanggeht. Die Landschaft ist sehr karg, außer mit Gras bewachsenen Hügeln und Gesteinsbrocken gibt es eigentlich nichts. Aus purer Faulheit hatten wir uns vor unserem Trip einen Einweggrill gekauft – wir dachten das wäre warscheinlich einfacher und zeitsparender als ein Lagerfeuer zu machen. Was für eine Eingebung! Nicht nur wäre es aufgrund des Wetters wohl schwierig gewesen ein loderndes Feuer zu machen – vielmehr wären wir gar nicht erst soweit gekommen! Auf den Outer Hebrides gibt es nämlich so gut wie keine Bäume! Die Witterungsbedingungen sind so knallhart, dass Bäume in jüngsten Jahren einfach vom Wind umgepustet oder abgebrochen werden. Vor allem auf Uist hat sich das sehr bemerkbar gemacht, hatte das ganze doch ein bisschen was von einer Mondlandschaft. 
















Nachdem wir den ganzen Tag mit Erkundungen der Gegend verbracht haben, haben wir auch am zweiten Abend ein gemütliches Plätzchen direkt am Meer gefunden. Und da man weit und breit nichtmal ein Haus, geschweige den einen Menschen gesehen hat, hatten wir wirklich absolute Ruhe. Wir haben unseren Grill angemacht, uns Mütze und Handschuh angezogen, auf die Kofferraumklappe gesetzt, einen Cider in der Hand gehabt und in den Sonnenuntergang geschaut. Seltsam, wie so eine Gegend, in der die Natur noch so ungestört und rau wüten kann, dann doch auf einmal ganz klein und gemütlich wird. 





Obwohl ich ein absolutes “Big City Girl” bin und mir niemals in meinem Leben vorstellen könnte in so einer Gegend zu leben, muss ich doch sagen dass es absolut entspannend war mal so richtig rauszukommen. Null Handyempfang, kein Internet oder Fernsehen, nichtmal Menschen die einen zuquatschen gab es. Drei Tage ungeschminkt und in Jogginghose anstatt Blazer, ja sogar ungeduscht (obwohl ich darauf auch hätte verzichten können). Es war schön mal so richtig runterzukommen, abzuschalten und raus aus dem Alltag zu sein. In die Natur zu kommen, und zu merken dass man doch nur ein ganz kleiner Teil dieses großen Ganzen ist und sich die Welt auch weiterdreht, wenn man mal nicht seine Emails checkt. Ich hätte nie gedacht dass ausgrechnet ich das mal sage, aber - ich kann es nur jedem empfehlen. 

Cheers!