Mittwoch, 4. Dezember 2019

700 Tage #londonstyle

Hello my dears,

wer hätte es gedacht, wie überall verfliegt auch in meinem Leben die Zeit so schnell, das man kaum noch hinterher kommt. Heute bin ich genau 700 Tage in London. Mit dem Jahreswechsel zu 2018 bin ich vom schottischen Edinburgh in die Hauptstadt gezogen, um hier in meinem Traumjob im Musikmanagement zu arbeiten. In die große, weite Welt bin ich gezogen, zu den anderen fast neun Millionen Menschen die versuchen hier ihr Glück zu finden und den großen Sprung auf der Karriereleiter zu schaffen. Und hier bin ich nun, 700 Tage später - doch wie ist es wirklich, in der Metropole London zu wohnen, im Meltingpot der Kulturen, der Stadt die niemals schläft? Well, let's have a chat.




Erstmal ist London eins: unglaublich, utterly und unendlich riesig. Die Stadt hört einfach nicht auf. Flächenmäßig ganze 27x so groß wie meine Heimatstadt Leipzig, ist es schwierig zu erkennen, wann genau man London betritt oder verlässt - es geht einfach immer weiter. Ganze neun Zonen gibt das U-Bahn Netz her, Central London, wo sich die meisten Sehenswürdigkeiten (und Touristen) finden, ist dabei nur Zone 1. Es gibt also noch eine ganze Menge außerhalb vom Kern. Und das ist eine der besten Seiten an der Stadt - man braucht nur ein paar Minuten U-Bahn fahren, schon ist man in einer komplett anderen Welt. Architektonisch, kulturell, sprachlich - wer sich eine Weltreise nicht leisten kann, sollte mal mit ein paar Wochen in London anfangen, denn hier kann man schon eine ganze Menge kennen lernen.




Was uns gleich zum nächsten Punkt führt - die unglaubliche Vielfalt an Menschen die hier leben. Mehr als ein Drittel der Londoner kommen ursprünglich nicht aus der UK, sondern haben über 270 verschiedene Nationalitäten und sprechen mehr als 300 Sprachen. Und das merkt man! Die Straßen sind bunt, die Busse voller verschiedener Sprachen, die Speisekarten unendlich vielfältig. Es ist wirklich cool in einer Stadt zu leben, in der "anders" sein vollkommen normal ist. Während mich in Schottland viele begeistert und neugierig gefragt haben wo ich denn herkomme, ist es hier kaum der Rede wert. Fast jeder kommt irgendwo her, was nicht hier ist, und keinen interessiert es wirklich, so alltäglich ist das Ganze. Immer wieder gibt es Berichte von rassistischen Anfeindungen oder Angriffen, ich persönlich habe so etwas noch nie erlebt oder bezeugt. Für mich ist London eine bunte Regenbogenwelt in der wirklich jeder willkommen ist.





Der dritte Aspekt der für mich nirgendwo sonst so zu finden ist, sind die unbegrenzten Möglichkeiten. Wenn mich Freunde über mein Leben in London fragen, sage ich immer, es gibt nichts, was es nicht hier gibt. Egal was man sich in den Kopf setzt, so ziemlich alles was einem einfallen kann gibt es hier, oder kann man hier machen. Von Rehen in den königlichen Parks, zu abgefahrenen Kunstausstellungen, jeder Cuisine die man sich vorstellen kann und sogar Eisklettern (steht ganz oben auf meiner Liste) - man muss sich wirklich anstrengend etwas zu finden was in London nicht machbar ist. So gut wie jede europäische Filmpremiere ist in London, es gibt die Fashionweek, und jeder noch so berühmte Musiker wird früher oder später in der Hauptstadt spielen, meist sogar mehrmals hintereinander. Es gibt Direktflüge quasi in die ganze Welt, die Finanzer steuern von hier die Wirtschaft für mindestens ganz Europa und so quasi jeden Trend gab es in London zuerst. Die Karriereoptionen sind unbegrenzt - auch für mich war London die einzige wirkliche Wahl, da mein Job so, auf dem globalen Level auf dem ich jetzt arbeite, sonst fast nirgendwo existiert. Es gibt busy central London, und ruhige, niedliche Gegenden, sleek Glasarchitektur und kleine, alte Steinhäuschen. Von allem gibt es alles und noch mehr. Was könnte man denn noch wollen?




Letztens habe ich durch alte Einträge in meinem Blog gescrollt, durch die Zeiten in Italien und Schottland, und seitdem ich nach London gezogen bin. Und mir ist bewusst geworden, dass so ziemlich genau mit meinem Umzug in die Hauptstadt mein Blog sich von einem Expat in einen Reiseblog verwandelt habe. So gut wie kein Eintrag handelt von meinem Leben hier und all den Dingen die man hier erleben kann, sondern nur von meinen Reisen außerhalb der Hauptstadt und außerhalb des Landes. Dies war keineswegs eine bewusste Entscheidung, sondern hat sich einfach so ergeben. Wenn ich jetzt darüber nachdenke, weiß ich aber tief im Innersten ziemlich genau warum - ich bin einfach nie so wirklich in London angekommen.





Sowohl in Italien als auch in Schottland war ich jedes Mal begeistert von Land und Leuten. Die kleinen besonderen Gewohnheiten, die Sprachen und Dialekte, die Landschaften, das fremde Leben. Das alles hat mich begeistert, es war aufregend und spannend. Zugegebenermaßen nicht immer einfach, aber es war eine Herausforderung die ich gerne angenommen habe. In London jedoch ist der Funke nie so wirklich übergesprungen. Denn so toll auch die Vielfalt und die Möglichkeiten der Metropole sind, wirklich eingenommen haben sie mich nie. Klar, ich liebe meinen Job und würde ihn niemals eintauschen wollen. Und am Anfang hat mir das auch absolut ausgereicht, ich gefiel mir in der Rolle der coolen Managerin, die nun die Musikwelt von der Musikhauptstadt London aus im Sturm erobern würde. Die ständig Probleme lösen muss, mit New York und Tokyo telefoniert und wichtige Meetings mit der BBC, Record Labels und Orchestern aus der ganzen Welt hat. Genau das ist mein Job, und ich liebe jede Sekunde! London ermöglicht es mir mit unglaublichen Menschen zusammen zu arbeiten und Erfahrungen zu sammeln die ich sonst nirgendwo bekommen würde.


Zwei von meinen Künstlern die mich Tag und Nacht auf Trapp halten. Der Chief Conductor vom Gothenburg Symphony Orchestra, Artistic Director und Chief Conductor vom Tampere Philharmonic Orchestra, sowie Principal Conductor Designate (20/21) vom Philharmonia Orchestra London zu meiner linken, und der Chief Conductor der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen, Chief Conductor und Music Director des Tonhalle-Orchester Zürich, Artistic Director und Founder vom Estonian Festival Orchestra, Artistic Advisor und Gründer vom Pärnu Music Festival und der Järvi Academy, Artistic Advisor vom Estonian National Symphony Orchestra, Conductor Laureate vom Frankfurt Radio Symphony Orchestra und Music Director Laureate vom Cincinnati Symphony Orchestra zu meiner rechten. 
Aber, vielleicht werde ich doch langsam alt und weise, doch ich werde das Gefühl nicht los dass mir das nicht reicht. Dass, egal wie unendlich toll mein Job ist und wie gerne ich ihn mache, das Drumherum auch stimmen muss. Ich wollte nie nach London - was viele immer noch schockiert wenn ich es laut ausspreche, doch es stimmt. Ich hatte nie das Ziel und den Wunsch hier zu wohnen, sondern ich wollte den Job. Und der Job kam nunmal mit der Stadt. Jetzt bitte nicht falsch verstehen und besorgt die Rettungstruppe losschicken, es ist nicht so dass ich jeden Abend nach Hause komme und traurig in meinem Großstadtdasein versinke. Mir wird nur mehr und mehr bewusst, dass mit London und mir wird auf Dauer wohl nichts werden - was auch absolut ok ist.





Denn wie so alles im Leben gibt es auch hier zwei Seiten der Geschichte. Ja, London ist unendlich groß und es gibt an jeder Ecke etwas Neues zu entdecken. Aber das ist es eben auch ein Problem - es ist U N E N D L I C H groß. Egal wo man hin will, es dauert immer zu lange. Ich wohne schon echt ziemlich zentral in Zone 2 (von 9!), und trotzdem brauche ich nach Central eine knappe Stunde, je nachdem wo man hin will. Ein Arbeitsweg von einer Stunde ist hier die Norm, wer schneller ist kann sich glücklich schätzen. Vor und nach jeder 4,5 stündigen Zugfahrt nach Edinburgh muss ich noch eine knappe Stunde zum Bahnhof einberechnen. Nach Heathrow brauche ich eine Stunde, wenn ich allerdings wie so oft von Stanstead fliege sind es 2,5 Stunden. Und lasst uns gar nicht davon anfangen wenn man mal mit der U-Bahn nicht dahin kommt wo man hin will, sondern vielleicht noch mit den Bussen fahren muss. Durch den Londoner Stadtverkehr. Einmal durch die Stadt zu fahren ist wie eine kleine Weltreise, leider nicht nur im kulturellen Sinne, sondern auch was den Zeitaufwand betrifft.  Und da haben wir noch nicht davon gesprochen wie unendlich voll die U-Bahnen und Busse sind! Zusammengequetscht wie die Ölsardinen stehen die Londoner und fahren ihre durchschnittlich eine Stunde zur Arbeit und wieder nach Hause. So eng, dass man sich eigentlich nicht mehr groß festhalten muss, da man von der Masse aufgefangen wird. Angst vor Körperkontakt darf man hier nicht haben. Deswegen (und auch wegen der horrenden Preise) habe ich mich von Anfang an zum Fahrrad fahren entschieden. Ich gehöre zu den Glücklichen die sehr nah am Büro wohnen, nach 10 Minute im Sattel bin ich da, und trotz unglaublichem Verkehr wesentlich entspannter als wenn ich die Öffentlichen nehmen würde. So weit es geht versuche ich Fahrrad zu fahren, denn so bin ich meistens schneller, und hab vor allem meine Ruhe vor hunderten von Menschen die unbedingt die Stange in der U-Bahn genau an derselben Stelle anfassen wollen wie ich.




Sollte mich irgendjemand mal in London auf dem Rad sehen, dann bitte nicht erschrecken. Denn zum Helm gesellt sich hier auch ganz automatisch eine Atemmaske - jedenfalls habe ich mich dazu entschieden. Nachdem ich letztes Jahr eine Woche komplett flach lag, und zwar so richtig, und mir mein Arzt dann sagte dass ich eine Art starke allergische Reaktion aufgrund von Luftverschmutzung habe, war mir jeder Look egal und die etwas bedrohlich aussehende schwarze Maske musste her. Fast 10.000 Menschen sterben jedes Jahr in London alleine an den Folgen der Luftverschmutzung. Die Luft ist dick und stinkt, egal zu welcher Tages - oder Jahreszeit. Die Feinstaubbelastung in der U-Bahn ist dabei noch um ein Vielfaches höher, was man besonders im Sommer merkt, wenn es da unten auch noch heiß und stickig ist aufgrund fehlender Belüftung in den Jahrzehnte alten Tunneln. Da ich schon noch vor hatte mindestens 120 Jahre alt zu werden, kann und möchte ich mich dem wohl nicht auf Dauer aussetzen.




Eine andere Hürde sind die horrenden Preise. Denn es ist ganz wunderbar unendliche Möglichkeiten zu haben, doch wenn man sich nichts von den tollen, spannenden und aufregenden Aktivitäten, Ausstellungen oder Konzerten leisten kann, macht die ganze Sache doch gleich ein bisschen weniger Spaß. Für mein kleines Zimmer im Haus einer 5-köpfigen Familie zahle ich £750, dafür bekommen wir in Edinburgh unsere ganze Wohnung. Eine Zweizimmer-Wohnung in halbwegs netter Lage gibt es eigentlich nicht unter £1500 kalt. Als Paar mag das noch gehen, doch wer alleine lebt und keine Millionen verdient, kann sich nicht leisten eine eigene Wohnung zu haben. Selbst in einem guten Job in Vollzeit nicht sein eigenes Zuhause haben zu können - das schockiert mich  immer noch. WG's mit Menschen in ihren 30ern oder älter ist hier die absolute Norm, es geht einfach nicht anders. Für mich wird sich die Situation wohl hoffentlich bald ändern wenn Philip fertig wird, aber für viele andere meiner Freunde und Kollegen werden es wohl noch etliche Jahre in WG's sein. 




Eine Monatskarte für Zone 1-2 würde für mich £135 kosten - und das ist nur für zwei Zonen. Wenn man weiter draußen wohnt kann das ganze schnell auf über £300 steigen. Ein Hoch auf mein Fahrrad. Drinks kosten gerne ab £10, Kino ab £15, eine Runde Bowling £20, Gym Mitgliedschaften ab £50. Wenn man irgendwo Eintritt zahlen muss, für einen Foodmarket zum Beispiel, oder eine Ausstellung, sind das gerne auch mal £15, nur um reinzukommen. Aktuell haben die Weihnachtsmärkte wieder geöffnet, da kostet eigentlich alles £5, egal ob Glühwein oder Bratwurst. Das macht einfach oft sehr wenig Spaß, denn anders als so oft vermutet sind die Gehälter nicht automatisch höher, nur weil die Jobs in London sind. 




Doch das größte Problem für mich ist der ständige Stress - alle hetzen immer nur von einem Termin zum anderen, das ganze wird befeuert durch die vollen U-Bahnen, Millionen von Menschen, die alle den selben Stress haben. Es ist immer laut, immer dreckig, selbst nachts rauschen unendlich viele Autos an meiner kleinen Nebenstraße vorbei. London ist wahrlich die Stadt die niemals schläft - bei dem Lärm und der Hektik kann ich auch nicht schlafen. Das Leben wirklich genießen, abends zur Ruhe zu kommen und zu entspannen, das Ganze nicht nur als Abschnitt meines Lebens zu sehen sondern wirklich etwas daraus zu machen, das habe ich zumindest bisher noch nicht geschafft. 




Und mehr und mehr erkenne ich, dass es vielen anderen Leuten hier genauso geht wie mir. London ist keine Stadt in die man zieht weil es hier so schön und aufregend ist, sondern um Karriere zu machen. Das macht die Leute oberflächlich, nicht sehr kontaktfreudig (jedenfalls nicht was echten Kontakt angeht - ich fand es noch nie so schwer Freunde zu finden wie in London) und insgesamt schlecht gelaunt. Die meisten planen 5, 10 Jahre hier zu bleiben, richtig zu ackern, und dann ihr eigentliches Leben irgendwo anders zu beginnen, mit einer soliden Karriere und tollen Erfahrungen. Das hat zur Folge, das alle auch ständig und nur von der Arbeit sprechen. Die meisten, mich eingeschlossen, haben hier gar nicht viel anderes was sie beschäftigen könnte. Es gehört zum guten Ton darüber zu sprechen wie viele Stunden länger man heute wieder gearbeitet hat, wann Beförderungen und Boni ins Haus stehen. Und am Anfang hat mich das auch gar nicht gestört, schließlich war ich ja hier um erfolgreich im Job zu sein.




Ironischerweise ist genau dieser Drang zur Karriere ja genau der Grund ist warum ich hier bin.  Aber nach knapp zwei Jahren merkt man dann doch dass nur Arbeit auf Dauer auch keinen Spaß macht, egal wie toll der Job ist. Ich weiß nicht wie es weitergeht, mit mir und London. Ich liebe meinen Job und kann mir im Moment nichts anderes vorstellen, so viel steht fest. Nur zu welchem Preis man diesen Job macht, in dieser Stadt, ist die Frage. Ich denke es wird sich einiges für mich ändern wenn Philip fertig ist und hoffentlich auch nach London kommt. Dann wird vieles einfacher, und ich vielleicht entspannter um das Leben hier mehr zu genießen. Und falls ich mich nach weiteren 700 Tagen immer noch so fühle - dann ist das auch nicht schlimm. Man muss es nicht überall schön finden, und inzwischen habe ich auch kein Problem mehr damit das zu sagen. Nur weil alle Welt immer sagt wie unglaublich toll London ist, macht mich das keinen schlechten Menschen, oder weniger cool, oder nicht ambitioniert genug, nur weil es mir eben nicht gefällt. Ich gebe dir nochmal eine Chance, London, also streng dich an!

Cheers!

Samstag, 30. November 2019

Donau, Gulasch und die Liebe für Europa - 48 Stunden Budapest

Hello my dears, 

wenn man auf einer Insel wohnt, und mal die Gelegenheit hat von eben dieser Insel runter zu kommen, muss man das Meiste daraus machen. Und was für ein #travelmaniac wäre ich, um mich auf den weiten Weg von besagter Insel zu machen, um dann nur 48 Stunden an einem Ziel zu verbringen. Wenn ich eines in meinem Job als Manager gelernt habe, dann enge Zeitpläne und Reisen zu koordinieren. Und deswegen haben wir natürlich nicht nur 48 Stunden in Wien verbracht (wie ihr hier lesen könnt), sondern sind in den Zug gesprungen, zwei Stündchen durch die Prärie getuckert, und auf der anderen Seite der Grenze im wunderschönen Budapest wieder ausgestiegen. Ein Hoch auf Europa, ein Hoch auf freie Grenzübergänge, und ein Hoch auf ein Leben lang andauernde Erasmus Freundschaften. 

Für mich sollte es das dritte Mal in der ungarischen Hauptstadt werden, einmal war ich als Kleinkind da und kann mich außer an einen traumatischen Besuch bei der Formel 1, bei dem mir aus unerfindlichen Gründen eine Flasche Mineralwasser über den Kopf gespritzt wurde, nur weil Michael Schumacher gewonnen hat, an nicht viel erinnern. Im ersten Jahr an der Uni waren wir auf Studienfahrt dort, aber auch nur für eine Nacht, und ehrlich gesagt kann ich mich außer an das schäbige Hostel und das Partyboot auch hier an relativ wenig erinnern. Aber ein Glück ist meine Freundin Betty, die Ungarin ist, aber in Edinburgh studiert hat, aber zur selben Zeit wie ich in Bologna Erasmus gemacht hat, aber dann wieder nach Edinburgh gegangen ist, wo der Zufall mich dann hinverschlagen hat - alles klar soweit? - wieder nach Budapest gezogen, und somit konnten wir sie ganz wunderbar besuchen fahren und die Erinnerungen an diese Perle von Stadt etwas auffrischen. 

Schon der erste Abend war absolut magisch, als wir vom Bahnhof direkt auf den Gellertberg gefahren sind, um Budapest bei Nacht zu sehen. Und meine Güte, da war man ja gleich ein bisschen sprachlos! Nur leicht verwirrt von den Partybussen die sich da oben rumtrieben, ohne Sitze aber dafür mit Dancefloor und Lichtshow an Board, breitete sich unter uns ein Lichtermeer aus, was schwer mit Worten zu beschreiben war. Überall funkelte es nur so, und wir konnten es kaum erwarten das alles am nächsten Tag im Hellen zu betrachten. 





Bei Bettys Wohnung angekommen waren wir kurz ein bisschen verunsichert wo es uns hinverschlagen hat - riesige, und ich meine riiiiiesige Blöcke voller Wohnung, alleine in ihrem Block waren es glaube ich 2000 Apartments. Ein ganzer Stadteil voll mit diesen monströsen Betonblöcken, die ihre besten Tage wirklich hinter sich hatten. Von innen top saniert und dank Zentralheizung wohl sehr gefragter Wohnraum, aber an das Äußere muss man sich doch erstmal gewöhnen. Im Erdgeschoss reihte sich ein Laden an den anderen, es gab Bäcker, Obstverkäufer, Ärzte, die Post, einen Friseur, ein Gym - man musste die Betonwelt eigentlich nicht verlassen, so wunderbar kommunistisch war alles vorbereitet. Willkommen in Osteuropa!



Aber wir sollen ja auch nicht einziehen, sondern das Ganze mit offenen Ohren und Augen betrachten, und sehr schnell haben wir gelernt - das ganze scheint seine Vorteile zu haben! Obwohl Betty erst vor kurzem eingezogen ist, kannte sie viele ihre Nachbarn, es wird gegrüßt und sich geholfen. Wir lernen also mal wieder, don't judge a book by its cover. 

Unser Erkundungstrip am nächsten Morgen startete mit einem Besuch am Buda Castle, dem Vorzeigeschloss Budapests, hoch oben auf dem Berg auf den Buda Seite der Stadt (die durch die Donau von der Pest Seite getrennt ist). Von hier hatte man einen wunderbaren Ausblick auf die ganze Stadt, inklusive Fluss und Parlament. Bei 28 Grad, blauem Himmel und Sonnenschein (immerhin Mitte September) machte das ganze natürlich besonders Spaß. 








Danach ging es auf die Pest Seite, wo es erstmal einen verpflichtenden Langos für jeden gab (wir sind ja schließlich nicht zum Spaß hier), gefolgt von einem langen Spaziergang durch die ganze Stadt, um die ganzen Kalorien wieder abzutrainieren. Unterwegs schlenderten wir über einen Foodmarket mit allerlei Köstlichkeiten, an einer wunderschönen Kathedrale vorbei, bis hin zum Parlament, einem einfach absolut und unglaublich umwerfenden Gebäude. Wir liefen über eine der Brücken zur Donauinsel, die riesig groß ist, ein Paradies für Jogger und Hundehalter, und sogar einen Zoo beherbergt. Die warme Spätsommersonne tat ihr Übriges, und Chimney cake essend waren wir absolut verzückt von dieser wunderschönen Stadt. 






Mit geschwollenen Füßen haben wir uns am nächsten Tag erstmal für eine Donaurundfahrt entschieden. Wenn schon Touri dann auch richtig, und es war herrlich entspannend die Sehenswürdigkeiten vom Boot aus, mit einer kühlen Brise und ohne jegliche Bewegung erleben zu können. 








Nach diesem unglaublich anstrengendem Vormittag mussten wir uns natürlich erstmal stärken, mit, wie sollte es anders sein, Gulasch. Und als wir auch das dann kugelrund von unserer Food-to-do-Liste streichen konnten, haben wir noch einen Abstecher zum Friedensplatz und den sich anschließenden Park gemacht, in dem man wohl auch gut einen ganzen Tag verbringen könnte. So viel wunderschönes und ruhiges Grün, mitten in der busy Stadt, war ein long needed Ende zu diesem wunderbaren Städtetrip. 





Und was haben wir gelernt? Drei Dinge. 
Erstens: Wien und Budapest sind absolut wunderschön und sich eigentlich recht ähnlich - Wien ist eben nur ein bisschen mehr herausgeputzt als Budapest. Aber mit ein bisschen Farbe hier und da wird das schon!
Zweitens: Man kann in vier Tagen immerhin ein Wiener Schnitzel, Sauerbraten, Quarkknödel, Wiener Würstel, mehrere Sturm und Traubenschorlen, einen Langos, Chimney cake, Gulasch, Gulaschsuppe und Mohnknödel essen, ohne sofort an Diabetes zu sterben. Wieder was gelernt. 

Und Drittens: Was wären wir ohne Europa. In Zeiten wie diesen, und vor allem in Ländern wie dem in dem ich zur Zeit lebe, wo man sich aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen gerade ein ganz kleines bisschen von Europa distanzieren will, wird es mir doch immer wieder bewusst was für eine wunderbare Erfindung diese ganze Sache ist. Ohne Probleme und Grenzkontrollen konnten wir eben so zwischen Österreich und Ungarn reisen, die Pässe mussten wir erst wieder rausholen als wir zurück auf unsere altertümliche, verschrobene Insel wollten, auf der die Vorstellung alleine gewinnen zu können mächtiger zu sein scheint, als das was man gemeinsam erreichen kann. Wenn ich nach meiner Meinung zum Brexit gefragt werde kann ich nur immer sagen, wenn es hart auf hart kommt, ich habe immer noch meinen europäischen Pass. Ich kann ohne Probleme von heute auf morgen gehen und mich in irgendeinem der anderen EU-Staaten niederlassen, wo ich mit offenen Armen empfangen werde. Mir tun die Briten leid, die jungen Leute, die in ein paar Jahren oder Jahrzehnten vielleicht nicht mehr so einfach im Ausland wohnen und studieren können, die vielleicht keine so wunderbaren Erfahrungen mit Erasmus und anderen Austauschprogrammen machen können, wie ich es tat. Ich habe Freunde in ganz Europa, die ich ohne Erasmus nicht hätte. Und es ist nicht nur das Reisen, wenn man diese wunderbaren internationalen Freunde besuchen und neue Erinnerungen zusammen schaffen kann - ich denke ich kann mit Recht behaupten dass Erasmus mein Leben verändert hat. Wäre ich damals im Studium nicht nach Italien gegangen, wer weiß ob ich mich jemals dazu entschieden hätte nach Schottland zu gehen, und jetzt nach London. All die wunderbaren Menschen, die unglaublichen Dinge die ich erlebt, Landschaften gesehen und Freundschaften die ich geschlossen habe - ich fühle mich wahrlich als Europäer, und es macht mich einfach nur traurig zu sehen, dass andere junge Menschen wie ich nun vielleicht nicht die Chance dazu haben. Viereinhalb Jahre wohne ich jetzt schon nicht mehr in Deutschland, und so schnell werden ich wohl auch nicht zurückkommen. Weil ich das Gefühl habe überall zuhause sein zu können. Und ich hoffe dass die Menschen auf unserer Insel das auch irgendwann mal verstehen. 

Cheers!

Freitag, 1. November 2019

Von Sturm und Schnitzel - 48 Stunden in Wien

Hello my Dears, 

es kann manchmal ganz schön ätzend sein, wenn die meisten Freunde in ganz Europa verteilt sind. Man sieht sich kaum, kann nicht mal eben schnell rüber kommen und lebt die Freundschaft auf Skype und WhatsApp. Einen grandiosen Vorteil hat das ganze allerdings - man hat immer eine Couch zum Schlafen in manchen der aufregendsten Orten des Kontinents. Und da man nie weiß wie lange die Leute an Ort und Stelle bleiben, muss man das ganze möglichst zeitnah nutzen. Mit anderen Worten, wir waren mal wieder auf Reisen. 

Diesmal ging es für uns das erste Mal überhaupt nach Wien. Angeblich war ich hier schon einmal als Kleinkind, daran habe ich jedoch absolut null Erinnerung. Es galt also eine vollkommen neue Stadt zu entdecken! Unsere gute Freundin Jana, die selbst Deutsche ist und wir in Edinburgh kennen gelernt haben, hat es inzwischen in die österreichische Hauptstadt verschlagen, und sie sprudelte nur so vor Freude was für eine tolle Stadt Wien ist. Da haben wir natürlich nicht lange überlegt!




Schon auf dem Weg vom Flughafen in die Stadt haben wir uns prächtig amüsiert. Das wienerische Deutsch ist wirklich einfach zum Schmunzeln. Von der Aussprache einiger Wörter bis hin zu vollkommen neuen Erfindungen oder Zusammensetzungen, es gab wirklich immer etwas zu lachen - im besten Sinne! Die Frage im Supermarkt ob ich ein Sackerl brauche oder der Mistkübel in der Fußgängerzone gehörten dabei eindeutig zu meinen Favoriten. 

An Tag 1 unseres Trips haben wir erstmal Wien an sich angeschaut. Wir sind durch die Einkaufsstraße gelaufen, am Museumsviertel vorbei, zum Naschmarkt, einer riesigen Ansammlung von Ständen die von Döner über Tees, Touri-Artikeln und Baklava bis zu Klamotten eigentlich alles verkaufen. Weiter ging es zur Staatsoper, am Café Sacher vorbei, bis zum Stephansplatz, wo wir den berühmten Dom besuchten. Dann weiter nach Norden bis zur Donau, von hier aus folgten wir dem Fluss eine ganze Weile an unendlich vielen Graffitis und Street Art entlang. Schließlich erreichten wir die Universität Wien, gefolgt vom Rathaus, jeweils alles mächtig gewaltige und imposante Gebäude. Auf dem Rathausplatz gab es einen Markt mit typischen regionalen Produkten, so ließen wir es uns nicht nehmen und machten eine wohlverdiente Pause mit Mohnknödeln und Sauerbraten. Auf dem Rückweg kamen wir noch beim Parlament, was leider komplett eingerüstet war, sowie dem wunderschönen Volksgarten, der Hofburg und der eindrucksvollen Albertina vorbei. Am Abend sind wir dann noch - natürlich - Schnitzel essen gegangen. Kein Besuch in Wien ohne Wiener Schnitzel!














Die Stadt ist so wunderschön, ich konnte auf Anhieb verstehen warum es Jana dort so gut gefällt. Man fühlt sich wie bei Sissi, die Gebäude sind alle prächtig und vor allem super in Schuss - alles glitzert und glänzt nur so. Die Stadt ist unglaublich grün, mit vielen ruhigen Parks und gemütlichen Fußgängerzonen. Wo es mir in London schon bei dem Gedanken an die vielen Menschen und den Verkehr graut einen Fuß vor die Tür zu setzen, war in Wien alles so unglaublich entspannt. Ich hatte das Gefühl alles läuft ein paar Schritte langsamer, mit mehr Geduld und Ruhe. Es war wunderbar!




Am zweiten Tag erkundeten wir das Umland von Wien. Was wir nicht wussten, die Umgebung der Hauptstadt ist eine echte Weinregion! Rundherum gibt es unzählige Weinberge mit allen möglichen verschiedenen Sorten und Trauben. Und da die Österreicher eindeutig wissen wie man das Leben genießt, haben sie Wanderwege zwischen den Weinbergen angelegt, und jeder Weinbauer hat einen kleinen Ausschank, bei dem man den lokalen Wein testen und sich nach dem vielen Laufen stärken kann. Wir hatten lange keine Ahnung was die Leute uns da verkaufen wollten, war doch überall nur "Sturm" angepriesen, und das bei 25 Grad und Sonnenschein! Wie uns dann aber erklärt wurde ist Sturm die österreichische Variante von Federweiser - ach die Ösis, man muss sie einfach gerne haben!









Nach einer wunderbar entspannten Wanderroute und dem einen oder anderen Traubensaft hatten wir am Nachmittag noch Zeit uns das Schloss Schönbrunn anzuschauen, DAS Wahrzeichen Wiens. Zwar sind wir nicht rein gegangen, jedoch hat schon ein Spaziergang durch den Schlosspark gereicht um uns wie Franz und Sissi zu fühlen. So wunderschön, so unglaublich gut erhalten und gepflegt. Das kann man sich mal anschauen!







Insgesamt waren wir also von Wien absolut angetan - und kommen gerne mal wieder!

Cheers!