Samstag, 3. März 2018

Aus aktuellem Anlass: Alles Wimps hier!

Hello my dears, 

eigentlich sollte ich jetzt gemütlich mit meinem Liebsten in Edinburgh beim Frühstück sitzen. Eigentlich sollte Großbritannien auch ein westliches, entwickeltes Land sein. Und eigentlich sollte man meinen, dass ein bisschen Schnee keinem weh tut. Eigentlich. 

Fakt ist jedoch, ich stecke in London fest, die Briten sind alle lächerliche Schisser und Schnee ist lebensgefährlich. Jedenfalls wenn man den Schissern Glauben schenken mag. 

Aber von Anfang an: Am Montag morgen begann es ganz sachte und leise zu schneien. Kein Wind, kein Schneesturm, jedoch schon ziemlich kalt. In der Nacht gingen die Temperaturen runter bis auf -6, und das mitten in London. Es schneite und schneite weiter, nicht nur in London, sondern überall im Land. Von meinem persöhnlichen Korrespondenten in Edinburgh ließ ich mich stetig updaten, auch dort, Schneefall, aber nichts großartiges. Mehr als ein paar Krümel blieben nicht liegen, weder in der Haupststadt noch im hohen Norden. Keine große Sache. 

Als ich Mittwoch früh die Nachrichten anschaltete, könnte man meinen das ganze Land sei von einem Blizzard heimgesucht worden, die Welt stehe kurz vorm Untergang und eigentlich gibt es keine Möglichkeit auch nur irgendwie das Haus zu verlassen oder gar seinem Alltag nachzugehen. Das "beast from the east", wie die russische Kältefront bald genannt wurde, hatte die Morgennachrichten fest im Griff. Fassungslos berichteten die Medien dass in einigen Teilen des Landes, vor allem im Norden Englands Unmengen an Schnee gefallen seien, der Nahverkehr zusammen gebrochen und alles ganz schrecklich sei. Die Reporter verwiesen auf ungefähr 5cm Schnee, der die Straßen blockierte und es unmöglich mache für tausende von Kindern zur Schule zu gehen. 




Für einen kurzen Moment dachte ich die machen sich einen Spaß aus der ganzen Sache, dass sie sich über sich selbst lustig machen, da "Health and Safety" hier wirklich eine ganz große Priorität hat. Aber schnell wurde mir bewusst, die meinen das Ernst. Wir reden hier von nicht einmal 10cm Schnee in den meisten Teilen des Landes, und die komplette Infrstruktur bricht zusammen. Ich meine, ernsthaft?!



Von da an ging es nur noch bergab. Seit Mittwoch fährt nichts mehr, so gut wie alle Züge, Flüge und Busverbindungen sind gecancelt, jeden Morgen gibt es neue Horrormeldungen von Leute die teilweise 12 oder 15 Stunden auf Autobahnen fest stecken. Selbst in London, wo es wirklich nicht so schlimm war, ist der Nahverkehr so gut wie zusammen gebrochen, U-Bahnen haben unendlich viel Verspätung, Overground ist teilweise gesperrt, wichtige Hauotverkehrsadern wie Paddington Station sind geschlossen. Am Donnerstag wurden dann für Schottland und am Freitag für Wales und Westengland rote Wetterwarnungen rausgegeben, Lebensgefahr! Sturm Emma war auf dem Weg, kam von Portugal und Frankreich und sollte erneut Schnee und Wind mitbrigen. Lebensgefahr! Da war es bei mir dann wirklich vorbei. Klar, gerade in Schottland gab es wohl wirklich bis zu 30cm Schnee (allerdings über die Woche angesammelt) und durch starken Wind kam es dort tatsächlich zu beeinträchtigenden Schneeverwehungen. In den meisten Teilen des Landes passierte jedoch gar nichts, außer ein paar Krümeln Schnee und ein bisschen Wind. Lebensgefahr! Die spinnen eben doch die Briten. 


Meine U-Bahn Station am Freitagmorgen. Normalerweise stehe ich hier alleine.

Im ganzen Land wurden tausende Schule geschlossen, denn bei ein bisschen Schnee kann man den Schülern ja unmöglich zumuten den Schulweg anzutreten. Ich erinner mich ja noch daran dass ich gegen Ende meiner Schulzeit einen Morgen 50-Minuten lang durch kniehohen Schnee zur Schule gelaufen bin, weil die Straßenbahnen nicht fuhren. Nie im Leben hätte da jemand dran gedacht die Schulen zu schließen!



So langsam wurde mir dann aber auch bewusst, was das Problem an der ganzen Sache ist. Es scheint, als würde das ganze Land in eine Art Schockstarre verfallen, sobald die Wettervorhersage Schnee oder Frost ankündigt. Zugegeben, der Winter in Großbritannien ist nicht so kalt das man jede Woche mit Schnee rechnen würde, aber es wird doch kalt genug dass es jedes Jahr schneit und man durchaus darauf vorbereitet sein könnte. Doch anstatt die Schneschippen, Räumautos und Salzstreuer bereit zu stellen, passiert hier einfach - nichts! Es lag jetzt für gut fünf Tage Schnee und die Straßen sind immer noch nicht geräumt. In der ganzen Zeit habe ich nicht ein Räumauto, niemanden mit einer Schneeschaufel und Salz streuen gesehen. Nicht einmal. Warum auch, es kann ja eh kaum jemand raus, denn Winterreifen existieren hier nicht (kein Scherz). In Edinburgh fuhren am Donnerstag und Freitag nicht ein einziger Bus, die Stadt ähnelte wohl einer Geisterstadt. Anstatt etwas dagegen zu tun, verkriechen sich alle in ihre Häuser, schließen die Schulen, lassen die Verkehrsnetze zusammenbrechen und warten darauf dass es wieder taut. Wenn sie mal halb so viel über das Wetter reden würden (was hier natürlich immer Thema #1 ist), und stattdessen mal etwas dagegen tun würden, wäre die Situation auch nur halb so schlimm. In einem Land, welches als eines der fortschrittlichsten und modernsten Länder der Welt gesehen wird, ist das einfach nur lächerlich. 

Vielleicht erinnert sich noch jemand daran dass ich vor drei Jahren vom Wintereinbruch in Italien berichtet habe. Dort waren wirklich überraschend über Nacht gut 30cm Schnee gefallen, was die Einwohner auch erstmal erschüttert hat. Aber innerhalb eines halben Tages wurden alle mobilisert, es wurde geschippt, geräumt und gestreut was das Zeug hält, am Nachmittag war alles mehr oder weniger unter Kontrolle. Und das in Italien, in Südeuropa, wo es so selten mal orderntlich Schnee gibt. In Italien gibt es übrigens auch Winterreifenpflicht, nur so nebenbei erwähnt.

Das Fazit ist also, die Briten sind alle Schisser und "really need to get their shit together". Die Performance diese Woche war lächerlich, und nichts was ich vom ach so tollen Großbritannien erwartet hätte. Shame on you!

See you later!