Samstag, 26. März 2016

Hochkultur vom feinsten: von menschlichen Fackeln zu Ceilidh-blauen-Flecken

Hi Folks,

und frohe Ostern! Da mir heute ausnahmsweise ein freier Tag gegönnt wurde, kann ich mich endlich mal wieder melden. Auch hier ist alles voller bunter Ostereier und Hennen und überall sieht man die obligatorischen Grußkarten. So wirklich Osterfeeling kommt bei uns allerdings nicht auf: Obwohl Feiertage sind, hat Philip Karfreitag und Ostermontag Vorlesungen, ich muss Sonntag und Montag arbeiten. War also nichts mit dem kurzen Erholungsurlaub! Aber was solls, es muss ja schließlich vorwärts gehen. Und fleißig Schokoostereier essen wir trotzdem!

In den letzten Tagen haben wir hier zwei kulturelle Highlights erlebt. Zuerst kam mein Chorkonzert mit der Edinburgh University Music Society. In der (soweit ich weiß) größten Kirche Edinburghs, St.Mary's Cathedral, haben wir gemeinsam mit dem Uniorchester "The Armed Man - A Mass for Peace" von Karl Jenkins aufgeführt. Das Stück wurde im Zusammenhang mit dem Kosovo-Konflikt geschrieben und wird von einem Film begleitet, in dem verschiedene Kriege und Konflikte eine Rolle spielen. Daher war das ganze auch echt dramatisch, von hämmernden Bässen und Blechbläsern bis zu so leisen und zaghaften Stellen, dass es schon wieder gruselig war, war alles dabei. Und so haben wir über 500 Gäste begeistert - es war restlos ausverkauft!






Ein Wochenende später waren wir dann zu Gast im Balmoral, dem teuersten Hotel in Edinburgh, dem Geburtsort des letzten Harry Potter Bandes (in die J.K.Rowling Suite hat man uns aber leider nicht gelassen). Anlass war der jährliche Engineering Ball. Da wir uns ja in Großbritannien befinden, geht hier nichts ohne Prestige und Traditionen. Und so ist es eben auch Tradition, dass jede Society (sowas wie ein Club, nur viiiiiel cooler) einen Ball veranstaltet. Für den unglaublichen Ticketpreis von £55 pro Nase durften wir dann aber auch ein feines 4-Gang-Menü verspeisen und unendlich viel Wein trinken.










Obwohl ich ja eigentlich immer für Bälle und ausgehen zu haben bin, war dieser Ball doch irgendwie etwas seltsam. Es fing schon damit an, dass der ganze Saal sehr unkreativ gestaltet war. Nun kenne ich diesen Raum in und auswendig, da wir dort schon so einige Hochzeiten ausgestattet haben, und warscheinlich bin ich deswegen auch ein bisschen vorbelastet. Aber so rein gar nichts an Deko zu haben muss ja nun echt nicht sein. So wirklich seltsam wurde es dann, als wir uns nach dem Sektempfang an die Tisch gesetzt haben und die Kellner rumgingen und uns die Servietten auf den Schoß legten. Den Gesichtern meiner Tischnachbarn zufolge fand nicht nur ich das ein bisschen komisch.
Schon als wir den Raum betreten haben, habe ich mich gewundert dass gar nichts auf der Bühne steht. So GAR nichts. Kaum hatten wir mit der Suppe angefangen, wusste ich dann auch warum: pünktlich zu Beginn des Dinners trudelte dann nämlich die Band ein, baute lautstark ihr Equipment auf und machte Soundcheck. Man muss nun wirklich nicht Event Management studiert haben um zu wissen dass man das nicht macht!
Und so war dann auch der ganze Abend: zwar irgendwie ganz nett, aber eben auch wahnsinnig unkreativ und unmotiviert. So sind sie eben, die Ingenieure!

Richtig lustig wurde es dann jedoch nach dem Essen, als die Band anfing zu spielen. Vorher haben wir uns noch gefragt ob die Briten eigentlich auch zur Tanzschule gehen und klassisch tanzen können. Sobald die Musik einsetzte wurde uns bewusst wie blöd diese Frage war: in Schottland wird nicht Waltzer oder Tango getanzt, sondern natürlich Ceilidh! Ein Volkstanz der üblichweise im Paar, manchmal aber auch zu viert oder sechst getanzt wird, und mega Spaß macht. Es gibt ungefähr unendlich viele Varianten davon, deswegen wird üblichweise vorher immer erklärt wie das ganze abläuft. Trotz dieser Erklärung waren wir anfangs leicht überfordert, auch weil die Tanzfläche sehr klein und unsere Mittänzer sehr energetisch waren. Ich hab heute noch blaue Flecken! Trotzdem hat es mega Spaß gemacht und wir werden mit Sicherheit noch einmal zu einem offiziellem Ceilidh
gehen!




Cheers!

Mittwoch, 9. März 2016

"Ja Papa. Ich lebe noch!"

Hi Folks, 

ja meine Freunde, ich gebe es zu, es ist lange her. Verdammt lange her. Und mir fällt nichts besseres ein als zu sagen: Schande auf mein Haupt!

Aber ich komme hier einfach zu nüscht, wie man in der Heimat so herzallerliebst sagt. Mein zweites Semester neigt sich dem Ende zu, ich habe noch vier Wochen Uni und dann ist mein Studentendasein so gut wie Geschichte. Und bis dahin haben sich unsere Dozenten vorgenommen, uns noch einmal so richtig schön zu grillen, mit Hausarbeiten, verqueren Philosophen und ständig neuen Business-Plänen. Nebenbei geht auch das Hochzeitsgeschäft so langsam in die heiße Phase über, mit dem beginnenden März ist nun alle Ruhe vor dem Sturm vorbei und es wird wieder geheiratet wie das Böse. Ich komme mir schon immer ganz schäbig vor, wenn mich meine Mitbewohner fragen, was ich so in den letzten Tagen gemacht habe, und ich immer das gleiche sage: Uni. Arbeiten. Essen. Schlafen. Und wir wollen mal ganz davon absehen, dass ich zu dem ganzen Spaß auch noch unendlich viele Jobportale durchgucke, Cover Letter schreibe und mit meinem Career Adviser in Kontakt stehe - man muss ja auch an die Zukunft denken. 

Jetzt sagt ihr bestimmt, jammer nicht rum, du bist im Ausland und erlebst tolle Dinge. Und das stimmt auch. Seit meinem letzten Eintrag habe ich mich mit meiner Schwester in London getroffen und ein hammergeiles Konzert der weltbesten Band inklusive anschließendem Treffen mit dem Sänger besucht. Ich war auch in Irland, hab in den Pubs Dublins gefetet und mich mit meiner besten Virginia aus Genua in Galway getroffen. Ich hab einen wunderbaren Chor gefunden, mit dem ich am Samstag mein erstes Konzert singen werde, zu dem viele meiner neuen internationalen Freunde und Arbeitskollegen kommen. Ich hab viele tolle Dinge erlebt, aber dieser Spielverderber namens 'Alltag' hat mich daran gehindert sie mit euch zu teilen. 

Und leider nervt dieser 'Alltag' nicht nur und macht schlechte Laune, sondern ist auch furchtbar langweilig. Deswegen habe ich auch keine brandneuen Neuigkeiten für euch, außer dass ich immer noch hier bin, ich immer noch studiere, das Wetter in Schottland immer noch kalt und regnerisch ist. Ich weiß, das klingt nicht so wahnsinnig spannend und abenteurlich, aber irgendwie hat es ja auch was gutes. Für mich ist Edinburgh nicht mehr außergewöhnlich und überraschend (was nicht heißt dass ich mich langweile). Vielmehr ist das Leben hier so zum Alltag und zur Normalität geworden, dass mir viele Dinge gar nicht mehr auffallen. Ich gucke automatisch zuerst nach rechts, bevor ich die Straße üerquere. Ich trinke jeden Morgen im Büro meinen Breakfast Tea mit Milch und Zucker. Ich denke in Englisch und erschrecke manchmal richtig, wenn ich Touristen in der Stadt Deutsch reden höre. Selbst Philip und ich benutzen manchmal englische Wörter, weil uns die deutschen nicht mehr so schnell einfallen. 
Edinburgh ist nicht mehr das große Abenteuer, es ist ein Stück Heimat geworden. Und wer hat schon ständig aufregende Geschichten aus seiner Heimat zu erzählen?!

Cheers!


P.S. Ok, eine Sache amüsiert mich doch immer noch: das Anstellen am Bus. Wer zur Hölle hat damit angefangen, dass man sich in einer kerzengeraden Linie entlang des Wartehäuschens hintereinander für den Bus anstellen muss, den Blick fest auf die Schultern des Vordermannes geheftet? Und das Minuten bevor das Gefährt überhaupt in Sicht ist! Wenn ich so eine Monsterschlange an meiner Haltestelle sehe, laufe ich immer ganz verwirrt tuend daran vorbei, und stelle mich ins Wartehäuschen. Wenn jemand fragt, ich bin Italienerin. Das im-Pulk-in-den-Bus-quetschen-als-würde-das-Leben-davon-abhängen habe ich aus meiner vorherigen Heimat mitgebracht. Man kann sich ja nicht ständig umgewöhnen :P