Freitag, 2. September 2022

Ciao Bella, Ciao

 Über ein Jahr ist mein letzter Eintrag hier nun her, und auch vorher gab es große Lücken. Das mag auf der einen Seite daran liegen, dass ich meinen YouTube Kanal eröffnet habe und meine Freude am filmen und Videos schneiden entdeckt habe. Auf der anderen Seite ist wie immer die Zeit knapp, und irgendwie hatte ich auch das Gefühl nicht mehr so wirklich was zu erzählen zu haben. 

Denn Fakt ist, damals, vor acht Jahren, habe ich diesen Blog gestartet um von meinem Leben im Ausland zu berichten. Eigentlich nur ein Jahr Italien, daher auch der Name. Seit dem ist so viel Zeit vergangen, ich bin von Bologna nach Genua, nach Edinburgh und schließlich nach London gezogen. Unzählige Flüge, neue Adressen, Handynummern und Erfahrungen. Ständig gab es irgendwas Neues, Ungewöhnliches, Unbekanntes, mit dem man sich beschäftigen musste, neue Eindrücke und Schwierigkeiten, neue Freundschaften und Lebensweisen. Es war aufregend und spannend und es wert, darüber auf diesem Blog zu berichten. 

Aber irgendwann wurde das Leben im Ausland einfach nur noch mein Leben. Es war mein Alltag, mein gewohntes Umfeld, in dem ich meine Freunde und Kollegen hatte, meinen Kiez, meinen liebsten Doughnut Laden und mein Gym. Ich wusste nicht mehr so recht was ich noch erzählen sollte, denn alles was vorher so neu und aufregend war, war nun einfach normal. Nicht im negativen Sinne, aber Dinge die einem als Neuankömmling vielleicht noch als fremd oder aussergewöhnlich aufgefallen sind, habe ich überhaupt nicht mehr wahrgenommen. 

Doch in den letzten Monaten hat sich alles gändert. Im Herbst erwarten wir das erste Mal Nachwuchs, und obwohl das nicht von Vornherein der Plan war, wurde uns doch relativ schnell bewusst, dass London, beziehungsweise Großbritannien generell, nicht der richtige Ort ist um Familie zu gründen. Das Gesundheitssystem ist zu schlecht, Kinderbetreuung unbezahlbar, ich hätte maximal ein paar Monate zuhause bleiben können, mehr kann man sich schlichtweg nicht leisten, und Elternzeit für Väter gibt es sowieso nicht. Unsere Wohnung wäre mit Kind zu klein gewesen, eine größere hätten wir uns in London aber nicht leisten können, hätten also so oder so die Stadt verlassen müßen. Die außerdem überhaupt nicht für Kinder gemacht ist, viel zu laut, viel zu gefährlich und umständlich - zum Beispiel hat fast keine U-Bahn Station einen Fahrstuhl. 

Und so haben wir entschieden, was am meisten Sinn macht. Und ich sage mit Absicht, was am meisten Sinn macht, nicht was unser Herzenswunsch war - wir sind wieder nach Deutschland gegangen. Wo man einfach so zum Arzt gehen kann und auch Chancen hat eine halbwegs plausible Diagnose zu bekommen. Wo man für einen Kindergartenplatz nicht ein ganzes Monatsgehalt hinblättern muss, wo es noch halbwegs verträgliche Luft gibt und man nicht ein paar Wochen nach der Geburt wieder zur Arbeit muss. Wo beide unsere Familien wohnen, und etliche Freunde, die alle schon Kinder haben (in London wären wir mit fast 30 die Ersten gewesen). 

Wir haben eine wunderschöne, riesige Wohnung gefunden, konnten unsere Jobs mitnehmen, haben alle Freiheiten der Welt mit permanentem Home Office und damit einen Lebensstandard, von dem wir in London nur träumen konnten. Wir können unsere Familien und Freunde sehen wann immer wir wollen, und müssen uns keine Sorgen über den finanziellen Ruin machen, sobald unser Nachwuchs da ist. Unser Kind wir U-Untersuchungen haben, und zwar von einem Kinderarzt, nicht nur dem allgemeinen Hausarzt, und wird in einer wunderschönen, grünen, freundlichen Stadt aufwachsen. Alles macht total Sinn, auf jeder einzelnen Ebene. Es gibt absolut keinen Grund warum wir diese Entscheidung irgendwie bereuen sollten - tun wir auch nicht, bisher. 

In London haben immer alle gesagt, ach das wird ja ganz einfach und toll für euch, ihr geht ja nach Hause. In Leipzig fragen mich nun immer alle, und, ist es nicht schön wieder zuhause zu sein? Und ich sizte hier, und frage mich, was nun eigentlich mein Zuhause ist. Letzte Woche war ich auf meiner erstmal letzten Tour, zufälligerweise in Edinburgh, unserem schottischen Zuhause. Fakt ist, dort habe ich mich wesentlich mehr zuhause gefühlt als ich es momentan in Leipzig tue. Die Strassen, die Läden, die Menschen, alles war so vertraut. In Leipzig habe ich das Gefühl nicht. 

Und bitte nicht falsch verstehen, ich liebe Leipzig. Es gibt keinen Ort in Deutschland an dem ich lieber wohnen würde - das Ding ist einfach, das ich überhaupt gar nicht in Deutschland wohnen möchte. Obwohl es meine Heimat ist, obwohl ich auch hier jede Straße und jeden Baum kenne, fühle ich mich fremd. Die Leute erscheinen mir unglaublich unfreundlich, bin ich doch britische Zurückhaltung gewohnt. Ständig will einem irgendjemand seine Meinung aufdrücken, ob man sie nun hören möchte oder nicht. Alles ist irgendwie ruppiger, und einfach ungewohnt. Sobald man mit seinen Plänen, Ambitionen oder Gewohnheiten irgendwie 'anders' ist, wird man schief angeguckt. Ich fühle mich unverstanden, und das kann man den Leuten nicht einmal vorwerfen. 

In London war ich umgeben von internationalem Publikum, fast alle meine Freunde und Kollegen kamen aus verschiedenen Ländern, hatten mehrere Staatsangehörigkeiten, wussten ganz genau, wie es ist, in einem neuen Land anzukommen, sich durchkämpfen zu müssen, und 'anders' zu sein. Und weil alle anders waren, anders aussahen, von woanders herkamen, waren wir alle herrlich normal. In den sechs Wochen die ich nun wieder in Deutschland bin, habe ich schon mehr negative und rassistische Kommentare gehoert, als in all den Jahren als Ausländer in einem fremden Land. Und eigentlich immer kommen die von Leuten, die selbst noch nie woanders gelebt haben, und eigentlich auch nie etwas mit Expats zu tun haben. 

Eine meiner größten Sorgen war, dass alle von mir erwarten dieselbe Person zu sein, die ich war, als ich vor acht Jahren Deutschland den Rücken gekehrt habe. Denn meiner Meinung nach gibt es wenig im Leben, was einen so verändert wie die Erfahrung, ganz alleine in ein fremdes Land zu ziehen. Ich bin einfach nicht mehr dieselbe, zum Glück. Doch all die Werte, die mir in Großbritannien und als Expat so wichtig geworden sind, scheinen hier nicht viel zu zählen. Die berühmte britische Kindness, einfach erstmal generell mit allen freundlich umzugehen, egal ob ich sie kenne oder nicht. Seine negativen Gedanken oder Vorbehalte für sich zu behalten und nicht alle Mitmenschen sofort daran teilhaben zu lassen, wenn man mal schlecht drauf ist. Nicht allen ständig die eigene Meinung auf die Nase binden zu wollen. Natürlich die ganze Inernationalität, Weltoffenheit und Akzeptanz, die man ganz automatisch lernt wenn man in einem 'melting pot' wie London lebt. All das ist den Leuten hier zumindest suspekt, oder schlichtweg egal. 

Anders zu sein, ein aufregendes Leben zu leben, ständig von allen zuhause gefragt zu werden was man wieder aufregendes erlebt hat, oder dass man doch 'verrückt ist' schon wieder in ein neues Land zu ziehen - Expat zu sein, ist so ein großer Teil meines Lebens, so ein Teil meiner Identität, dass ich mir ein Leben zuhause einfach nicht vorstellen kann. So sein zu sollen, wie alle anderen sind. 

Wenn man in ein fremdes Land kommt, tut man das meistens mit irgendwelchen Absichten. Ein besseres Leben, einen cooleren Job, oder auch einfach nur ein Abenteuer. Mal ganz abgesehen von vielen Flüchtlingen, die schlichtweg keine andere Wahl haben. Man hat einen Grund, sein ganz persöhnliches 'why'. Und so haben die meisten Leute mit denen ich mich in den letzten Jahren umgeben habe, irgendwelche höheren Ziele. Sie wollen Erfahrungen sammeln, vielleicht ein eigenes Unternehmen gründen, um die Welt reisen. Vor allem in einer Stadt wie in London geht es immer um das 'höher, schneller, weiter' - darauf ist diese Gesellschaft gebaut, wer keine Ziele hat geht unter. Das ist nicht immer unbedingt etwas positives, hilft aber doch ungemein, am Ball zu bleiben, und sich zu überlegen was man eigentlich vom Leben will.  

Nun sind wir wieder in unserer Heimat angekommen, wo viele einfach nur da sind, weil sie eben schon immer hier waren. Weil sie hier geboren sind, ihre Familien haben. Sie haben nicht unbedingt größere Ziele, keinen speziellen Plan, sondern suchen sich einen Job der ihnen das Einkommen bringt dass sie brauchen um ihr Leben so zu gestalten wie sie es eben wollen - und daran ist auch absolut nichts verkehrt. Aber wenn dann jemand wie ich dazwischen sitzt, vom jahrelangem Leben im Ausland geprägt und wo ich eigentlich gar nicht unbedingt hier sein möchte, dann führt das manchmal zu Unstimmigkeiten. Ich kann mit meinen besten Freunden, die ich seit 15 Jahren kenne, an einem Tisch sitzen und mich unendlich freuen sie nun wieder öfter sehen zu koennen - aber ich weiß auch, dass sie mich wohl nie ganz verstehen werden. Und dass viele meiner Ansichten, geprägt vom Leben im Ausland und mit anderen Nationen, einfach nie 'normal' sein werden. 

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und 'the grass is always greener' - stimmt alles, und wer weiß wie es mir in ein, zwei Jahren geht. Wie anfangs gesagt, ich bereue die Entscheidung nicht, nach Deutschland gekommen zu sein, es macht absolut Sinn. Aber vielmehr als das ist es bisher eben einfach noch nicht, eine rational richtige Entscheidung, auch wenn sie 180 Grad von dem abweicht, was mein Gefühl mir sagt. In sein eigenes Heimatland zurückzukehren ist eben nicht immer nur 'einfach' und 'schön', sondern kann auch verdammt hart sein, viel schwerer als es jemals war in ein fremdes Land zu ziehen. Aber auch das werden wohl nur die verstehen, die es selbst einmal erlebt haben.