Freitag, 1. Mai 2015

Sommer, Sonne, Regenschirm - oder: Wie die Kleiderwahl zur größten Herausforderung des Tages wird.

Ciao Ragazzi,

nun mag es nicht der literarisch hochwertigste Einfall sein, über das Wetter zu reden. Ich mach es aber trotzdem. Denn nichts beschäftigt mich in den letzten Tagen mehr, als das was uns der Himmel tagtäglich beschert.

Immer wieder erreichen mich Nachrichten von euch, in denen ich gefragt werde ob es denn schon richtig Sommer ist bei mir. Wir müssten doch schon 30 Grad haben und den ganzen Tag am Strand liegen, schließlich gab es ja auch in Deutschland schon ein paar sonnige und warme Tage. Ich kann euch sagen: Nein.
So etwas wie das genuesische Wetter habe ich tatsächlich noch nie erlebt. Zwar ist es nicht arktisch kalt, also so mindestens 15 Grad herrschen hier eigentlich immer, aber irgendwie habe ich das Gefühl der Sommer ist steckengeblieben. Wie eine alte Oma, deren Krückstock sich irgendwo verhakt hat.

Ich kann mich noch erinnern, wie ich hier angekommen bin, Ende Februar, und es selbst nachts nie kälter als 10 Grad war, und ich mich schon auf den Frühling gefreut habe, ihn quasi schon riechen konnte. Doch leider ist es dabei geblieben, ich rieche ihn immer noch - zu sehen ist aber nüscht. 

Zwar ist es inzwischen minimal wärmer geworden, wir dümpern jetzt immer so bei 18 Grad rum, von warmen, italienischen Frühsommer ist aber nichts zu spüren. Das sonderbare ist jedoch, dass wir hier ziemlich konstante Temperaturen haben, 24 Stunden am Tag. Der Unterschied zwischen Tag und Nacht beträgt meist nicht mehr als 1-2 Grad, sodass die Nächte schon durchaus angenehm sind. Nur feht eben noch ein bisschen Energie tagsüber. Das große Problem ist nämlich, dass seit 15. April alle Heizungen ausgeschalten sind. Klar, man mag denken 18 Grad draußen sind nicht sonderlich kalt. Wenn dann aber auch 18 Grad drinne herrschen, und man den ganzen Tag bewegnungslos vor dem Rechner sitzt, wird es doch ziemlich schnell ziemlich dolle kalt.

Und das kann man auch den normalen Bürgern hier ansehen: die berühmten italienischen Puffjacken, welche die Bevölkerung schon durch den Winter gebracht haben, werden hier bis in den Mai getragen. Überall sieht man noch Menschen mit diesen dicken, gefütterten, bunten Jacken, die immer ein bisschen an Michelin-Männchen erinnern, teilweise selbst noch mit Mütze und Handschuhen! Ich meine, mir ist ja auch kalt, aber ich bitte euch, Handschuhe bei 18 Grad?!
Als ich letztens einen meiner Rundgänge durch H&M gemacht habe, bin ich auch richtig erschrocken, als ich auf einmal Bademode gesehen habe. Bis Mitte April war davon nichts zu sehen, jetzt so langsam geht es los, dass die Italiener auch an die Bikinisaison denken. Irgendwie lustig, dass in einer Stadt, die den Strand vor der Nase hat, vor Mitte April keiner an den bevorstehenden Sommer denken will, während es in Deutschland Ende Februar schon keiner mehr erwarten kann, sich endlich in die Sonne zu legen.

Außerdem ist das genuesische Wetter sowas von launisch, da ist ein deutscher April nichts dagegen. Einen Tag scheint die Sonne, der Himmel war niemals blauer, und in einer windstillen Mittagspause wird man so gebraten, dass man eigentlich nur noch ans Meer will (die Sonne hat hier schon eine unglaubliche Kraft, wesentlich heißer als in Deutschland!). 



Bereits am nächsten Tag wird man von sinnflutartigen Regen geweckt, der auf die Plastedächer vor meinem Fenster knallt, das Meer tost im Hafen und der Himmel sieht aus, als würde er jeden Moment alles in verschlingen, was ihm in die Quere kommt. Vom ständig vorherrschenden Meerwind mal abgesehen. 


 
Außerdem gibt es einen Wochenendfluch, von dem mir unabhängig voneinander verschiedene Genuesen erzählt haben, und den ich inzwischen auch schon am eigenen Leib gespürt habe: solange man arbeitet, also von Montags bis Freitags, ist das Wetter Bombe, blauer Himmel, Sonnenschein. Sobald sich die Woche aber dem Ende neigt, wird das Wetter zu einer kleinen, eingeschnappten Zimtzicke, die sich nur noch von ihrer schlechtesten Seite zeigt. In 5 von meinen 7 Wochen hier war das so.

Erschwerend hinzu kommt noch, dass mein Arbeitsweg ganz fürchterlich steil und langgezogen ist, sodass ich frierend aus dem Haus komme, und eigentlich schon wieder duschen könnte, sobald ich im Büro bin. Stellen wir uns einen durchschnittlichen Tag vor: ich trage Pullover, Jacke, Tuch. Ich gehe aus dem Haus, laufe ein Stück Berg ab, und komme in der Via Cairoli an. Diese liegt im Schatten, ebenertig, ich fröstel ein bisschen. Anschließend geht es in die Via Garibaldi, der Prachtstraße Genuas, die zwar kerzengerade ist, jedoch vollkommen in der Sonne liegt. An diesem Punkt lege ich meistens mein Tuch ab. Am Ende der Via Garibaldi komme ich auf einen Platz, von dem mich ein kleine, doch recht steile Gasse zum Piazza Corvetto führt. Die Gasse liegt zwar im Schatten, geht aber so stark bergauf, dass ich am Ende die Jacke ausziehen muss. Nun muss ich die riesige Piazza Corvetto überqueren, und jedes Mal an 2 Ampeln anhalten. Außer Atem von der steilen Gasse, und in der prallen italienischen Sonne. An diesem Punkt krempel ich dann auch noch die Ärmel hoch. Denn jetzt kommt ja erst das Meisterstück, die Straße meines Büros, Via Assarotti. Diese zieht sich gefühlte 3 Kilometer den Berg hoch, mit einem stetigen Anstieg von ungefähr 628%. Wenn ich diese dann bewältigt habe, und vollkommen außer Atem im 6.Stock und somit in meinem Büro ankomme, muss ich auch noch den Pullover ausziehen. Um 15 Minuten später anzufangen, alles in umgekehrter Reihenfolge wieder anzuziehen, denn im Büro sind ja nie mehr als 18 Grad.

Bacci!

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