Freitag, 24. Oktober 2014

Il sciopero, Buschmänner und kalte Füße!

Ciao Ragazzi,

eigntlich müsste ich gerade in meiner Holländischvorlesung sitzen, und den Unterschied von aa und a lernen. Eigentlich. 
Denn Fakt ist, ich kann nicht. Ich kann einfach nicht zur Vorlesung gehen. Nicht weil ich keine Lust habe, lieber ausschlafen will oder andere wichtige Termine habe. Sondern weil ich nicht zur Vorlesung GEHEN kann. Warum? Il sciopero!
Die Italiener haben wohl gedacht, sie wollen mir Deutschland mal wieder etwas näher bringen, und haben für heute einen Generalstreik angesetzt. Das heißt in ganz Italien haben 24 Stunden alle öffentlich/staatlichen Einrichtungen geschlossen. Und das bedeutet für mich vor allem kein Bus. 
Obwohl man sagen muss, dass die Verkehrsbetriebe in Bologna noch freundlich sind im Vergleich zu anderen Städten. Bis 08.00 fuhren die Busse, damit jeder auf Arbeit kommt, und zwischen 16.30-19.00 fahren sie nochmal, damit alle wieder nach Hause kommen. Bringt mir nur leider auch nichts, wenn ich 10.30 eine 90-Minuten Vorlesung habe. Also verbringe ich den Tag zu Hause. Es ist ja schließlich Streik!

Die letzten Tage habe ich vorallem mit Lernen verbracht. An der Wirtschaftsfakultät ist es normal, dass Zwischenprüfungen nach der Hälfte der Vorlesungen geschrieben werden. Gott sei Dank habe ich aktuell nur einen Kurs dieser Fakultät, und das reicht mir auch schon vollkommen. Für mein Management Mid-Term Exam nächsten Mittwoch muss ich hier genauso viel lernen wie für eine Endprüfung in Görlitz plus noch einmal so viele Rechenaufgaben. Hinzukommt, dass man ja nicht auf Deutsch lernt, sondern in diesem Fall auf Englisch. Das ist zwar immernoch besser als auf Italienisch, trotzdem braucht man einfach länger, als wenn man in der Muttersprache lernt. Hier werden auch keine Ausnahmen gemacht, was drankommen kann und was nicht, es heißt einfach alles was wir bisher gemacht haben und Kapitel 1-4 aus dem Buch (kleine Anmerkung am Rande: in Italien ist es Alltag dass sich jeder Student alle Bücher selber kauft. Der Großteil der Vorlesungen beruht auf den Büchern, die in den Bibliotheken aber natürlich nicht oder nur 1x vorhanden sind. Also rechnen alle am Anfang jedes Semesters mit Ausgaben bis zu 300€, nur für Bücher).
Da es auch kein Seminar zur Managementvorlesung gab, bestand die Prüfungsvorbereitung hier Größtenteils darin, die zig Excelfiles des Profs nachzuvollziehen. Und hunderte von Definitionen zu lernen. Hunderte!

Um dabei wenigstens ein bisschen Abwechslung zu haben, habe ich mich an einem Nachmittag mit meinen Definitionen in den Park gesetzt, um dort in der Sonne zu lernen. Ich sah zwar in der Ferne immer einmal ein paar Leute entlangspazieren, aber im großen und ganzen war ich alleine. Bis auf einmal ein Mittvierziger aus dem Busch neben mir gesprangen kam, sich vor mich stellte, und mir in schnulzigsten Italienisch erklärte, dass er mich umwerfend findet, und mich schon ein paar mal hier gesehen hat, und mich jetzt unbedingt ansprechen musste. Er wollte sich zu mir setzen und sich mit mir unterhalten, und der Dialog lief ungefähr so ab (freie Übersetzung ;) :

Schnulziger Italo: Hey, ciao bella! [Wirklich!] Wie geht es dir? Du bist so schön, kann ich mich zu dir setzen?
Ich: Nein, ich muss lernen.
Schnulziger Italo: Aber ich habe dich schon ein paar Mal gesehen, du bist so umwerfend. Nur für 2 Minuten?
Ich: Nein, ich habe keine Zeit.
Schnulziger Italo: Für eine Minute?
Ich: Nein.
Schnulziger Italo: Aber ich muss mich mit dir unterhalten! Wir können uns doch ein bisschen besser kennen lernen, zusammen zu einem Aperitivo gehen, was zusammen essen.
Ich: Nein.
Schnulziger Italo: Willst du mich denn nicht kennen lernen? Du bist so schön, ich will mit dir sprechen.
Ich: Nein.
Schnulziger Italo: Dann lasse ich dir meine Telefonnummer da, dann kannst du mich anrufen, ok?
Ich: Nein.
Schnulziger Italo: Dann gib mir doch wenigstens deine Telefonnummer, dann kann ich dich anrufen. Wie heißt du denn?
Ich: Nein.
Schnulziger Italo: Ok, ich sehe du bist beschäftigt. Dann lass ich dich mal lieber alleine. Aber du bist wunderschön. Ciao Bella!


Ich schwöre es lag nicht an meinem begrenzten Wortschatz, dass ich nicht anderes geantwortet habe. Ich habe nur irgendwie versucht ihn abzuwimmeln. Warscheinlich tut man den meisten Italienern damit Unrecht, sie sind einfach ein sehr redseliges und freundliches Volk, und wollen sich meistens wirklich nur unterhalten. Doch bei 40-jährigen aus Büschen springenden Männern, die mich anquatschen während ich ziemlich alleine in einem Park sitze, schrillen dann doch noch meine deutschen Alarmglocken!


Die italienische Angewohnheit einfach fremde Menschen anzuquatschen ist mir auch gestern wieder begegnet. Ich stand an der Bushaltestelle und habe gewartet (natürlich), als eine alte Oma kam, und mich einfach angequatscht hat. Ich hatte meinen Pullover mit dem Uniwappen an, und da hat sie draufgezeigt, und mir dann ihre halbe Lebensgeschichte erzählt. Dass sie Professorin für Mittelalterhistorik war, und ihr Mann an der mathemtischen Fakultät tätig war. Dass sie aber dann nicht mehr arbeiten wollt, und jetzt seit 5 Jahren in Rente ist. Aber natürlich ist sie der Universität trotzdem noch verbunden. Als ich ihr dann sagte ich sei Erasmusstudentin aus Deutschland, erzählte sie dass ihr Mann 30 Jahre an der Uni in Berlin gearbeitet hat. Und er hat ja so schnell Deutsch gelernt, aber die Deutschen hätten es irgendwie nie geschafft Italienisch zu lernen. Deswegen bin ich ja total "brava", weil ich jetzt alleine nach Italien gegangen bin. Sie hat sowas ja auch gemacht, als sie jung war, aber das kann man natürlich nicht vergleichen. 
Begleitet von minütlichem Schimpfen warum der Bus schon wieder zu spät sei, haben wir uns so bestimmt 10 Minuten unterhalten, beziehungsweise hat sie uns unterhalten. Außer kurzen Sì oder No blieb mir leider nicht viel Zeit etwas zu sagen.

Und so vergeht hier die Zeit, und diese Woche ist nun auch der Herbst eingebrochen. Nach einem sehr langen Spätsommer hier (am Dienstag bin ich noch in Kleid und Strickjacke zur Uni gefahren), hat man es irgendwie gar nicht für möglich gehalten, dass es hier auch einmal kalt werden kann. Jetzt hüllen sich bei 16 Grad, strahlende Sonnenschein, aber Wind mit bis zu 90 Km/h alle in die dicken Jacken und Stiefel. Die Heizung funktioniert ja auch noch nicht. In Italien ist es nämlich gesetzlich vorgeschrieben, ab wann und wie lange am Tag man heizen darf. So sind wir hier in Bologna in der zweiten Wärmezone, dürfen also theoretisch vom 15.10.-15.04. maximal 14 Stunden am Tag heizen, in anderen Regionen darf man erst ab 01.12.-15.02. heizen, und dann auch nur für 6 Stunden am Tag! Und ja, auch im südlichsten Italien wird es im Winter sehr kalt!
Nun ist heute schon der 24.10., aber die Heizungen gehen immer noch nicht. Denn nur weil es laut Gesetz jetzt erlaubt ist zu heizen, heißt dass noch lange nicht dass die Stadtverwaltung das genauso sieht. Diese entscheidet nämlich für die ganze Stadt, ab wann der Hahn aufgedreht wird. Hoffen wir mal dass die bald genauso frieren in ihren Büros wie ich in meinem Zimmer!

Bacci!

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